Ein weiteres Beispiel für die Überwachung und Datensammelwut deutscher Sicherheitsbehörden

Alleine das bayerische Landeskriminalamt hat 123 Einträge über mich gespeichert.

Weil ich beim Verlassen von Deutschland an der Grenze ständig von der Polizei schikaniert, über Stunden festgehalten, befragt, bis auf die Unterhose durchsucht werde und mein Gepäck – manchmal offen, manchmal heimlich – durchwühlt wird, habe ich über meinen Anwalt Berthold Fresenius Anfragen zur Mitteilung von über mich gespeicherte Daten gestellt. Diese gingen an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt (BKA), das Bayerische Landeskriminalamt sowie an das Bundespolizeipräsidium.

Das LKA hat nun geantwortet und die Datensammelwut ist erschreckend. Im sogenannten „Integrationsverfahren Polizei“ (IGVP), einem Programm das polizeiliche Aktivitäten in Bezug auf bestimmte Personen speichert, finden sich sage und schreibe 123 Einträge über mich. Jegliche Polizeikontrollen bei Demonstrationen oder politischen Aktionen, bei denen ich in den letzten 15 Jahren war, sind dort aufgelistet. Es geht also bis ins Jahr 2006 zurück. Davor finden sich (laut Auskunft) keine Einträge. Allein 84 Mal ist der „Verstoß gegen das Vereinsgesetz“ gelistet. Dabei geht es um die Verwendung der Symbole der kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPJ/YPG. Auf dem Bild unten seht ihr, wie so ein Auszug aus dem IGVP ausseht.

Aber das ist nicht alles. In zwei Einträgen geht es um die „Bildung einer terroristischen Vereinigung im Ausland“(!), in anderen um Beleidigung, Sachbeschädigung und Nötigung. Wichtig!: diese Listung sagt nichts darüber aus, ob ich Beschuldigter oder nur Teil eines Ermittlungsvorgangs der Polizei war. Auch nicht darüber, ob auch die Staatsanwaltschaft im Anschluss Ermittlungen aufgenommen hat. Und sie sagt auch nichts über den Ausgang etwaiger staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren, Gerichtsprozesse und Verurteilungen gegen mich. Es sind einfach Daten, die die Polizei über mich sammelt, egal was die Justiz im Anschluss dazu sagt. Die Daten bleiben bestehen und die Polizei hat Zugriff darauf.

Außerdem führt das LKA einen sogenannten „bayerischen Kriminalaktennachweis“. Dieser ist für die konkrete Polizeiarbeit noch wichtiger als das IGVP, weil darauf PolizistInnen bei einer „normalen“ Kontrolle schnell Zugriff haben. In diesem „Kriminalaktennachweis“ sind 19 Verstöße gegen das Vereinsgesetz aufgelistet (die dann auch nochmal im IGVP gelistet sind) – hier geht es wieder um YPG/YPJ. Außerdem wird PolizistInnen bei meiner Kontrolle folgender „Ermittlungshinweis“ gegeben: Kerem Schamberger ist ein „politisch motivierter Straftäter / PMK links“ und ein „politisch motivierter Straftäter / PMK – ausländische Ideologie“. Es geht also darum, dass ich Kommunist bin und solidarisch zur kurdischen Freiheitsbewegung stehe. Das ist auch deshalb besonders skandalös, weil ich von keinem Gericht in einer politischen Sache verurteilt worden bin (außer vor fast 15 Jahren wegen „Beleidigung“ eines Polizeibeamten, der einem Genossen bei der Blockade eines Naziaufmarsches den Arm gebrochen hatte. Der Polizist wurde natürlich nicht belangt…). Das alles ficht die Polizei nicht an. Sie speichert trotzdem wie wild. Und da mag noch einer behaupten, in diesem Land gebe es keine Überwachung. Ich werde mit meinem Anwalt dagegen vorgehen.

PS: dies alles sind nur die Daten, die das LKA Bayern über mich gespeichert hat. Es fehlen noch die Antworten des BKA, des BfV, des Landesamtes für Verfassungsschutz und des Bundespolizeipräsidiums. Das kann ja heiter werden.