Nebelkerze „AKP-Auftrittsverbot“ in Deutschland

 Ein Kommentar von Kerem Schamberger

Ist uns eigentlich bewusst, dass die tagelange Debatte um ein Auftrittsverbot für AKP-Politiker in Deutschland von der Bundesregierung als Nebelkerze benutzt wird? Um gezielt von der eigenen deutschen Mitverantwortung beim Aufbau einer Diktatur in Ankara abzulenken. Schön hauen wir auf „die Türken“ ein, die nichts von Demokratie verstehen, Frauenrechte missachten, Oppositionelle einsperren und alles was ihnen nicht passt mit dem Terror-Bannstrahl belegen. Die eigene Rolle wird dabei von der Bundesregierung geflissentlich aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt.

Deshalb sei hier noch einmal an drei Punkte erinnert:
1. Es war vor allem die Bundesregierung, allen voran Merkel, die einen verbrecherischen und mörderischen Flüchtlingsdeal mit Erdogan abgeschlossen hat. Ein großer Teil der im Jahr 2016 mehr als 5000 im Mittelmeer Ertrunkenen geht auf Kosten dieser Abmachung. Diese Menschen wurden ermordet. Teil der Abmachung war es 3 Milliarden Euro an die Türkei zu zahlen und Europa dafür die Flüchtlinge vom Leib zu halten. Das Geld ist mittlerweile zu großen Teilen geflossen. Währenddessen ist die Türkei weiterhin einer der Flüchtlingsproduzenten Nr. 1 weltweit. Erst in den letzten Tagen flüchteten mehr als 40.000 Menschen um Minbic in Nordsyrien vor den Angriffen der türkischen Armee in sicherere kurdische Gebiete Rojavas. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Türkei von der EU nun sogar weitere Milliarden fordert. Für Flüchtlinge, die sie überhaupt erst produziert hat.

2. Deutschland ist nach wie vor einer der wichtigsten Waffenlieferanten der Türkei. Erst heute wurde bekannt, dass der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall massiv in die Türkei investieren will. Unter anderem soll es um die Nachrüstung deutscher Leopard-Panzer gehen. Das sind die Panzer, die gerade von der türkischen Armee bei der Besetzung Nordsyriens eingesetzt werden und dafür sorgen die örtliche Bevölkerung zu vertreiben. Geradezu pervers ist es, dass die bewundernswerten kurdischen Einheiten in Rojava diese wiederum mit deutschen Milan-Panzerabwehr-Raketen angreifen. Die beschädigten deutschen Panzer werden dann von Rheinmetall repariert und kommen danach in Nordsyrien oder gegen die Arbeiterpartei Kurdistans PKK wieder zum Einsatz. Bis sie wieder von einer Milan getroffen werden. Das Teufelsrad dreht sich weiter und die deutsche Kriegsindustrie profitiert. Eigentlich ist das gar nicht pervers, sondern der kapitalistische Normalzustand.

3. Ablenken will die Bundesregierung auch davon, dass sie weiterhin eine Bespitzelung kritischer oppositioneller Türken und Kurden durch DITIB-Imame und 6000 türkische Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland zulässt. Sie hat nichts dagegen unternommen, als die von der türkischen Religionsbehörde Diyanet geschickten Prediger, gegen die konkrete Spitzelvorwürfe vorlagen, einfach so von der Türkei zurückbeordert wurden. Viele Bundesländer halten weiterhin an den Kooperationsvereinbarungen mit der DITIB fest. Und ein tatkräftiges Einschreiten gegen türkische Spione ist ebenfalls nicht zu sehen. Im Gegenteil wird der türkische Geheimdienstchef in Berlin empfangen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis türkische Auftragskiller in Deutschland zuschlagen und Oppositionelle zum Schweigen bringen. Erste „Hausbesuche“ von Männern in schwarzen Anzügen soll es bereits gegeben haben. Es geht sogar noch weiter. Deutsche Staatsanwälte machen sich selbst zum Erfüllungsgehilfen der türkischen Gesinnungsjustiz, indem sie hier regierungskritische Türken und politisch aktive Kurden auf Geheiß der AKP-Regierung verfolgen, einsperren und verurteilen. Das Beispiel der zehn in München inhaftierten TKP/ML-Aktivisten spricht dafür Bände.

Es ist also perfide, dass sich Sigmar Gabriel bei seinem freundlichen Treffen mit dem türkischen Außenminister Cavusoglu am heutigen Mittwoch für eine Rückkehr zur „Normalität“ in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei ausgesprochen hat. So als ob diese Normalität jemals gestört oder eingeschränkt war. Der Flüchtlingsdeal, die Waffenverkäufe und die Bespitzelungen gehen jeden Tag weiter.

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