Die Idee des Nationalstaats durchläuft eine Metamorphose – Eine Rezension

Beck, U. (2017). Die Metamorphose der Welt. Berlin: Suhrkamp.

Metamorphose der Welt (Beck)

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Seit zwei Jahren ist der große Soziologe Ulrich Beck tot. Gestorben am 1. Januar 2015 erschien nun  im Winter 2017 post mortem sein letztes Werk: „Die Metamorphose der Welt“. Aus einer ersten fertigen Fassung konstruierte seine Frau Elisabeth Beck-Gernsheim das vorliegende Buch. Es stellt eine Weiterführung und zugleich Zusammenfassung seiner Theorie der Risikogesellschaft in Zeiten der Globalisierung dar, eine Beschreibung der stetigen Verwandlung der Welt. Dabei geht für ihn Metamorphose über den soziologischen Begriff des Wandels hinaus: „Die ewigen Gewissheiten moderner Gesellschaften brechen weg, und etwas ganz und gar Neues tritt auf den Plan“ (S. 15). Dieses Neue gelte es zu analysieren und zwar jenseits nationalstaatlicher Kategorien. Das Buch stellt, neben dem Versuch der Einführung vieler neuer soziologischer Begriffe, ein radikales Plädoyer für die Abkehr vom Denken in Nationalismen dar, für „eine Neukonfiguration des nationalzentrierten Weltbilds“ (S. 18). Durch die Verwandlung der Welt seien Nationen nicht mehr die zentralen Bezugspunkte. Neue „Fixsterne“ (S. 19) sind für den Soziologen die „Welt“ und die „Menschheit“. Dementsprechend müssten auch die Sozialwissenschaften endlich ihren methodologischen Nationalismus überwinden, so ein bereits seit Jahren von Beck geforderte Veränderung innerhalb des Wissenschaftsbetriebs (vgl. S. 79): „Wer als Soziologe innerhalb des nationalen Kontextes forscht, (…) bleibt, was er immer war: ein nationaler Soziologe.“ (S. 25)

Das Wiedererstarken nationalistischer Bewegungen in Form der sogenannten „Alternative für Deutschland“ sind für Beck dabei Rückzugsgefechte in Glaubenssätze, die mit den tatsächlichen Handlungsräumen der Akteure im Widerspruch stehen. Diese seien mittlerweile „unwiderruflich kosmopolitisch konstituiert“ (S. 22). So arbeiten rechtsnationalistische AfD-Abgeordnete im Europaparlament mit anderen Nationalisten Europas zusammen und akzeptieren dadurch schon die kosmopolitischen Spielregeln einer vollkommen anderen Logik. Auch der Klimawandel und damit drohende Naturkatastrophen mache ein grenzüberschreitendes Handeln nötig und lasse die Kriegsgefahr zwischen einzelnen Nationen geringer werden. In dieser Entwicklung war der Autor vermutlich zu optimistisch, denn bisher steht eine verstärkte Zusammenarbeit in Klimafragen eher in den Sternen. Auch mit dem Abschuss mehrerer dutzend US-Tomahawk-Raketen auf Syrien vergangene Woche stellt sich die Kriegsfrage in neuer Brisanz.

Auf die Welt der Massenmedien geht Beck nur am Rande ein. Diese stellen „heute noch die Welt der Nationen“ (S. 169) dar, öffnen sich aber zunehmend für das Weltgeschehen. Maßgeblich dafür verantwortlich sind neue Kommunikationsmedien, wie sie zum Beispiel dieser Blog darstellt, auf dem die Rezension erscheint: „Damit sind auch Kommunikationsnetzwerke und Kommunikationsströme entstanden, die über alle Grenzen hinweg verlaufen und die soziale und politische, nationale und internationale Ordnung der Kommunikation aufheben“ (S. 169/170).
Aus der Perspektive meiner Doktorarbeit lohnt es sich also die zur „Natur gewordene Brille des methodologischen Nationalismus“ (S. 107) abzulegen und einen grenzüberschreitenden kosmopolitischen Blick auf das kurdische Mediensystem in Zeiten der Metamorphose der Welt zu werfen.
Denn wer will schon ein nationaler Kommunikationswissenschaftler bleiben?