Armenien im Krieg – Eindrücke einer Delegationsreise

Die Stadt ist leer. Eine gespenstische Ruhe liegt über Eriwan, der Hauptstadt von Armenien, als ich nach einer langen Anreise endlich durch die Straßen laufen kann. Am Flughafen in München 90 Minuten Aufenthalt auf der Polizeiwache, weil der Name auf irgendwelchen Listen steht, von denen man in Deutschland eigentlich nicht erwarten würde, dass es sie gibt. Am Flughafen in Eriwan sind es 210 Minuten, weil der Reisepass viele Stempel aus der Türkei hat und mein Name zu Türkisch klingt. In Zeiten des Krieges ist man besonders vorsichtig, wen man einreisen lässt.

Zurück nach Eriwan, wo fast keine Fußgänger unterwegs sind und die wenigen Autos ohne großen Lärm über die breiten Straßen – ein Überbleibsel des Sozialismus – gleiten. Die Leere liegt nicht an der Corona-Pandemie, sondern am Krieg. Seit dem 27. September finden zwischen Aserbaidschan und Armenien heftige Gefechte statt. Nach 26 Jahren brüchiger Waffenruhe ist der Konflikt um Bergkarabach erneut eskaliert. Aserbaidschan, ermuntert und unterstützt vom „großen Bruder“ Türkei, hat die Gelegenheit genutzt und versucht nun mit brutaler Gewalt den Status quo zu verändern. Die historischen Hintergründe des Konflikts zu beschreiben, würde diesen Beitrag sprengen, deshalb sei hier auf einen lesenswerten Artikel in der Berliner Zeitung verwiesen. Und auf ein Gespräch mit dem linken Aktivisten Hrag Papazian, das bei analyse & kritik erschienen ist.

Vier volle Tage liegen vor mir. Eingeladen hat die altehrwürdige liberale Armenische Allgemeine Wohltätigkeitsunion (AGBU), die seit 1906 erst aus Kairo, dann Paris und später (als die deutschen Faschisten vor der Hauptstadt Frankreichs stehen) aus New York mit kulturellen, humanitären und Bildungsprogrammen die armenische Gemeinschaft im In- und Ausland zusammenzuhalten versucht. Sie hat beste Verbindungen zu staatlichen Stellen, insbesondere nachdem die Protestbewegung der „Samtenen Revolution“ im Frühjahr 2018 die oligarchischen Strukturen eingeschränkt und das politische Leben demokratischer hat werden lassen. Auch die Größe des Landes lässt solche Kontakte leichter werden. Nur knapp drei Millionen Menschen leben auf einem Staatsgebiet von fast 30.000 Quadratkilometern. Davon mehr als eine Million in der Hauptstadt. Zum Vergleich: Berlin hat fast 3,8 Millionen Menschen auf 900 Quadratkilometern. Man kennt sich also untereinander, vor allem wenn man aus der Bildungselite kommt, so wie viele TeilnehmerInnen der Delegation. Ein Beispiel: Anouch Toranian, seit Juli diesen Jahres Stellvertreterin der links-sozialdemokratischen Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo. Anouchs Schwiegervater Ara Toranian ist in der armenischen Diaspora Frankreichs eine große Nummer und überlebte zwei Autobombenanschläge, mutmaßlich von der türkischen Mafia im Auftrag des MIT-Geheimdiensts durchgeführt. Auch der seit Mai 2018 amtierende Außenminister Sohrab Mnazakanjan erinnert sich gerne an die AGBU. Der Politiker, der seit 1991 diplomatische Karriere machte, konnte vor Jahrzehnten Dank der Wohltätigkeitsorganisation das erste Mal ins Ausland reisen. Heute empfängt er uns deshalb gerne. Selbst in Kriegszeiten.

Das Treffen mit dem Außenminister lässt die Dimensionen des Delegationsprogramms deutlich werden. Auf dem Plan steht darüber hinaus: Treffen mit dem Katholikos, also dem Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche, Karekin II. Nersissian und ein Gespräch mit Armen Sarkissjan, der seit April 2018 Staatspräsident des Landes ist. In einem früheren Leben war er Physiker und gilt als einer der Erfinder von Tetris (ja, das Computerspiel). In der politischen Führung des Landes spielt der Liberale seit der Unabhängigkeit von 1991 eine wichtige Rolle. Doch auch Gespräche mit Geflüchteten aus Bergkarabach und eine Fahrt an die Grenze des Konflikts, in die Stadt Goris 240 Km südlich der Hauptstadt, stehen auf dem Programm. Dass ich als Vertreter der marxistischen linken dabei bin, stört die OrganisatorInnen nicht. Eher muss ich am ersten Tag Vorbehalte wegen meiner türkischen Herkunft ausräumen. Doch nach dem ersten gemeinsamen Abendessen und einem Austausch über die Politik des AKP-Regimes, ist das kein Problem mehr. Fast alle Leute mit denen wir sprechen, betonen, dass sich ihr Hass nicht gegen die türkische Bevölkerung richte, sondern gegen einen Staat und seine Regierung, die auch 105 Jahre nach dem Genozid mit der gleichen Mentalität agiert. Auch Sarkissjan, der uns im Präsidentenhaus empfängt, hebt das hervor und verweist auf die Hunderttausenden die 2007 zur Beerdigung des linken armenischen Journalisten Hrant Dink in Istanbul gekommen waren. Er war von einem türkischen Faschisten erschossen worden, die Hintermänner des Mordes wurden bis heute nicht belangt.

Obwohl der Aghet (armenisch für große „Katastrophe“) schon ein Jahrhundert zurück liegt, ist er in der kollektiven Psyche der ArmenierInnen nach wie vor präsent. In jedem Gespräch wird die Allgegenwärtigkeit des Genozids deutlich. Alle armenischen DelegationsteilnehmerInnen haben damals Familienangehörige verloren. Die Erinnerung ist wach, auch an die Regionen in der heutigen Türkei, aus denen sie vertrieben wurden und von denen einige erschreckend nah am Herkunftsort meiner türkischen Familie liegen. Wer hat zuvor da gelebt? Wem gehörte das Land, bevor mein Großvater es bewirtschaftet hat? Und warum wurde nie darüber gesprochen? Mein Vater sagt: „Das es Armenier gibt, habe ich erst gelernt als ich nach Deutschland gekommen bin.“

Gedenkstätte Zizernakaberd

In Armenien hingegen ist das Bewusstsein über das damalige Unrecht vorhanden, so als ob es erst gestern passiert wäre. Das wird auch am über der Stadt gelegenen Denkmal Zizernakaberd (übersetzt etwa: Schwalbenfestung) deutlich. Es wurde 1967 errichtet, nachdem es zwei Jahre zuvor zu großen Protesten der Bevölkerung gekommen war. Denn bis dahin herrschte in der Sowjetunion Schweigen über das, was 50 Jahre zuvor geschehen war. In der Hoffnung die junge türkische Republik in den 20er Jahren noch für sich gewinnen zu können, war über die Taten der geistigen Vorväter des Völkermords, den Jungtürken und dem Triumvirat aus Talaat, Enver und Cemal, ein Mantel des Schweigens gehüllt worden, der auch dann noch nicht gelüftet werden durfte, als längst klar war, dass sich die Türkei für den Westblock entschieden hatte. Der Direktor des Denkmals und anliegenden Museums gibt uns eine Führung und beschreibt, wie jedes Jahr am 24. April, dem Beginn des Massakers, Hunderttausende die lange Mauer entlangschreiten, auf der nur ein kleiner Teil der Ortsnamen eingraviert sind, die damals ausradiert wurden. Der Weg führt zum ewigen Feuer, dass nun seit 53 Jahren dort brennt und an das Schicksal von 1,5 Millionen Ermordeten erinnert.

Diese Vergangenheit, die doch so nah ist, darf nicht vergessen werden, wenn Aserbaidschan und die Türkei nun erneut die ArmenierInnen angreifen und vertreiben. Mehr als 90.000 Menschen sind seit Ende September auf der Flucht. Die ethnische Säuberung findet statt, während diese Zeilen geschrieben werden. Ausgeführt von den Nachfahren der Täter, die den Völkermord bis heute nicht anerkennen. Deshalb ist es verständlich, dass in vielen unserer Gespräche der Krieg als Fortsetzung des Genozids beschrieben wird. Damals geschah es mit Maschinengewehren (auch aus deutscher Produktion), Äxten und mit Hunger und Durst, heute mit türkischen Bayraktar-Drohnen, die von Erdogans Schwiegersohn produziert werden, und dschihadistischen Söldnern, die von der Türkei zuvor in Syrien und Libyen eingesetzt wurden. Auch das Nichtstun der Weltgemeinschaft erinnert an damals. Und die Medien in Deutschland ergeben sich einem „Both-Sideism“. Sie stellen Angreifer und Angegriffene auf eine Stufe, übernehmen kommentarlos aserbaidschanische Quellen (ausländische JournalistInnen dürfen dort nicht einreisen) und verweisen auf das undurchschaubare „Pulverfasst Kaukasus“, dass man zu Zeiten, in denen in den USA gewählt wird, nicht auch noch durchdringen könne (so eine Redaktion auf meine Anfrage, ob sie über die Delegation berichten würden).

Als wir uns an einem Morgen mit verschiedenen BotschafterInnen (unter anderem Frankreich, Niederlande, Deutschland und die EU- und UN-VertreterInnen in Armenien) in einer hybriden Veranstaltung treffen – manche per Zoom, manche vor Ort -, fällt der deutsche Vertreter dadurch auf, dass er sein Video nur selten angeschaltet hat und nichtssagende Allgemeinplätze in den Raum wirft a la: „Wir sind sehr besorgt… Waffenstillstand… Türkei Teil des Konflikts… Verhandlungen…“. So kennt man die deutsche Positionierung bei Konflikten in dieser Region: dem Wirtschafts- und Natopartner Türkei auf keinen Fall verärgern. Angesichts der aktiven Rolle Deutschlands beim Völkermord an den ArmenierInnen und der daraus entspringenden historischen Verantwortung, ist das ein Skandal, der sich mittlerweile in eine lange Reihe von Appeasment-Praktiken einreiht, sodass es schon fast nicht mehr auffällt.

Im Gespräch mit Teilen des Redaktionskollektivs von Sev Bibar

Um während der Reise nicht nur die Positionen der führenden Repräsentanten des Staates mitzubekommen, treffe ich mich abseits vom sehr vollen Programm noch mit linken AktivistInnen. Während Armenien als Land schon klein ist, ist die Linke dort noch kleiner. Hrag Papazian vom linken Onlinemagazin Sev Bibar (deutsch: Schwarze Paprika) (https://medium.com/sev-bibar) schätzt die undogmatische Linke auf 50 Leute, bei 1. Mai-Demonstrationen „kommen auch schon mal 200 Leute“, so der Mitherausgeber des Blog, der als Anthropologe an der Universität arbeitet. Das mag bei einer GesamteinwohnerInnenzahl von unter drei Millionen und der realsozialistischen Vergangenheit, durch die linke Positionen diskreditiert sind, nicht verwundern. Seit Kurzem gibt es das linke Bündnis Left Resistance. Es besteht aus Sev Bibar, einer feministischen Bibliothek, der Basisgewerkschaft Matenadaran und einer Umweltgruppe, die zum Beispiel Proteste gegen Minenprojekte organisiert und zur Zeit vor allem auf die Zerstörung der Natur in Bergkarabach hinweist. Unter anderem durch den Einsatz von Phosphorbomben seitens Aserbaidschan sind bereits um die 2000 Hektar Wald verbrannt worden, so der Ombudsmann für Menschenrechte der Republik Arzach/Bergkarabach, Artak Beglaryan.

Die Left Resistance-Koalition hat sich im Juli 2020 formiert. Allerdings sind mit dem Beginn des Krieges die Spielräume linker Politik so gut wie verschwunden, weil die gesamte Gesellschaft nur noch auf die Entwicklungen im Südosten des Landes, an den Bergkarabach über den sogenannten Latschin-Korridor verbunden ist, fokussiert ist. Für Antikriegsproteste sei derzeit kein Spielraum, da in Zeiten einer ausländischen militärischen Aggression so gut wie kein Platz für Kritik auf den Straßen Eriwans ist und das Ende September ausgerufene Kriegsrecht keine solchen Versammlungen zulässt, betonen die AktivistInnen von Sev Bibar im Gespräch. Jede Familie hat zudem Söhne, Ehemänner oder Brüder an der Front, viele sind mit der Betreuung der Geflüchteten beschäftigt und zusätzlich durch die tagtäglichen Horrormeldungen von der Front wie gelähmt. Da sei es verständlich, dass derzeit keine Proteste stattfinden. Dennoch gibt es eine differenzierte Erklärung aus dem Spektrum des Left Resistance. Darin wird dazu aufgerufen, dass Aserbaidschan die militärische Aggression stoppt und die in Bergkarabach lebenden Menschen das Recht auf Selbstbestimmung haben. Darüber hinaus wird jedoch auch das Rückkehrrecht aller Geflüchteten gefordert. Also der ArmenierInnen, aber auch der Azeris, die während des Krieges Anfang der 1990er Jahre die sieben Provinzen um Bergkarabach, die als Pufferzone von Armenien beziehungsweise der Republik Arzach besetzt wurden, verlassen mussten.

Kontakt zu linken Organisationen im verfeindeten Nachbarland, etwa zur Linken Jugend Aserbaidschans, die ebenfalls einen Antikriegsaufruf geschrieben hat, besteht nicht. Im Gegensatz zu Armenien, das (spätestens seit 2018) eine relativ stabile bürgerliche Demokratie ist, haben kritische Azeris fast keinen Bewegungsspielraum. Das Land wird seit 27 Jahren diktatorisch von der Aliyev-Familie, erst vom Vater, dann vom Sohn, geführt. Kontakt besteht wenn, dann nur auf individueller Ebene, etwa über Twitter. Aber dort sei die Erklärung auch angegriffen und als „Piece of shit“ bezeichnet worden, so Hrag. Es scheint noch ein langer Weg der Annäherung zu sein.

Das gleiche gilt für die Kommunistische Partei Armeniens, deren Generalsekretär Jerjanik Ghazaryan ich treffe und der am Anfang des Gesprächs nicht sicher ist, ob er überhaupt mit einem Türken reden solle. „In Zeiten des Krieges“ mit dem Feind reden, das gehe eigentlich nicht, sagt der Vorsitzende in der kleinen Zentrale der Partei, an deren Wand neben Lenin auch noch Stalin hängt. Er erbarmt sich dann doch und wir sprechen vor allem über die Vergangenheit. Welche negative Rolle die Daschnaken, eine nationalistisch-sozialdemokratische Organisation, die bis heute aktiv ist, in der Entstehungszeit der Armenischen Republik (1918-1921) und im Kampf gegen die Bolschewiken spielten und warum das Land dann, im April 1921, von der jungen Sowjetunion besetzt werden musste. Als wir wieder im Heute angekommen sind, geht es um die Waffenlieferungen der Türkei und Israels an die aserbaidschanische Seite. Armenien kämpfe gegen die Ausbreitung des expansionistischen Pan-Turanismus des türkischen Staates, der letztendlich auch Europa bedrohe. Der Luftraum über Bergkarabach müsse geschlossen und russische Truppen in der Region stationiert werden. Hrag von Sev Bibar hatte mich schon darauf hingewiesen, dass die KP nach wie vor eng an Moskau orientiert sei. Und wie sieht der Kontakt zur KP Aserbaidschans aus? Der bestehe über einen Verbund aller Kommunistischen Parteien der früheren Sozialistischen Sowjetrepubliken, sagt Ghazaryan. Allerdings veröffentlichte seine Partei einen Tag nach unserem Treffen ein Statement in dem sie Äußerungen der aserbaidschanischen Partei aufs Schärfste verurteilen. So gut scheint der Kontakt leider auch hier nicht zu sein.

16 frische Gräber in Goris

An einem der Tage geht es mit drei kleinen Bussen nach Goris, das am Beginn des Latschin-Korridors liegt, der Bergkarabach mit Armenien verbindet. Mit dabei sind auch Anton Gómez-Reino, der aus Galizien für Podemos im spanischen Parlament sitzt und Teil der Mitte-Links-Regierung ist, Jon Iñarritu, der für die baskische Linke EH Bildu Abgeordneter ist und Harry van Bommel, der für die Socialistische Partij in den Niederlanden 19 Jahre im Parlament saß. Nach fünf Stunden Fahrt erreichen wir die Kleinstadt. An vielen Häusern brennen kleine elektrische Lichter. So gedenken die Familien ihrer Toten, 40 Tage lang. Neben diesen Zeichen des Krieges ist der Ort voll mit Geflüchteten. Im Hotel Goris sind alleine 90 Familien untergebracht, vor allem Frauen und Kinder. Die Männer im kampffähigen Alter sind zurückgeblieben, um ihre Dörfer zu verteidigen. In Gesprächen wird das Grauen des Krieges deutlich. Zwei Frauen berichten uns, wie sie die Exekution von gefangengenommenen Bewohnern ihres Dorfes Hadrut im Internet ansehen mussten. Die beiden wurden bei Kämpfen gefasst und sind von aserbaidschanischer Seite hingerichtet worden. Ein Kriegsverbrechen Aserbaidschans, das sich an viele weitere reiht: Die Bombardierung von Krankenhäusern, Kirchen und anderen zivilen Einrichtungen, der Einsatz von Phosphor- und Streubomben, Enthauptungen und Verstümmelung von Leichen. Am örtlichen Denkmal Goris für gefallene ArmenierInnen im zweiten Weltkrieg, befinden sich mehr als ein Dutzend frische Gräber. Ein junger Mann in Uniform kommt vorbei und legt Blumen nieder, seine Wut, Trauer und Verzweiflung sind ihm ins Gesicht geschrieben. Mehrere tausend Menschen sollen bereits ums Leben gekommen sein, manche Quellen sprechen von bis zu 8000. Verlässliche Zahlen gibt es nicht, wie in jedem Krieg. Geschockt und emotional erschöpft treten wir die Rückfahrt an. Wie soll man über das berichten, was wir hier gesehen und gehört haben? Wie lassen sich die richtigen Worte finden?

Außenminister Mnazakanjan (2.v.l.)

Der armenische Außenminister Mnazakanjan, der sehr eloquent ist und, wie Staatspräsident Sarkissjan, perfektes Englisch spricht, hebt im Gespräch hervor, dass der Schaden des Genozids mit diesem Angriff bis ins Heute verlängert werde. Vor allem die Türkei würde die bisher ausgehandelten drei Waffenstillstände hintergehen und Aserbaidschan dazu drängen, die Angriffe fortzusetzen. Das größte Problem seien die türkischen Drohnen und der von ihnen kontrollierte Luftraum. „Unsere Kräfte werden dadurch dezimiert“, sagt er. Dennoch werde es keinen Rückzug geben. Zur Not kämpfe man mit Guerilla-Taktiken, für die sich die bergige und nur sehr schwer zugängliche Region gut eignet. Es handele sich um einen „Krieg um die Freiheit“, bei dem es kein Zurück gebe. Angesprochen auf die Rolle Russlands, reagiert der Minister eher zurückhaltend und verweist darauf, dass die Verlagerung von dschihadistischen Kämpfern in den Kaukasus auch von Moskau sehr genau wahrgenommen werde. Insgesamt verhält sich Russland sehr passiv, obwohl es eigentlich als Schutzmacht Armenies gilt. Jedoch hat es in den letzten Jahren enge ökonomische Beziehungen zu Aserbaidschan aufgebaut und beliefert beide Seiten mit Waffen. Zudem kann die Zurückhaltung auch als Druckmittel auf den armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan gesehen werden. Dessen neu gebildete Regierung hatte sich nach den Demonstrationen von 2018 dem Westen angenähert, sehr zum Missfallen Russlands. Den Kriegsdruck könnte Moskau nun dafür nutzen, das kleine Land wieder unter seine Fittiche zu bekommen. Der Außenminister betont deshalb auch, dass sein Prinzip der Außenpolitik darauf beruhe, keine Politik auf Kosten anderer Partner zu fahren. Man wolle mit allen Seiten, Russland, Iran, Frankreich und dem Westen generell gut auskommen.

A pro pos Söldner. Mnazakanjan betont die Gefahr dieses Konfliktes auch für Europa. So werde den dschihadistischen Milizen zum Beispiel erlaubt erbeutete Waffen zu behalten, die in Zukunft auch anderswo zum Einsatz kommen könnten. Der Anschlag von Wien ist bei seinen Worten noch keine 24 Stunden her. Unter den Söldnern befinden sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch frühere Mitglieder des IS. Und auch der schiitische Iran werde durch die sunnitischen Extremisten bedroht und so könne ihr Einsatz durch die Türkei unabsehbare Folgen haben.

Natürlich lassen sich so volle Tage nicht komplett in einem Artikel wiedergeben. Doch es wurde hoffentlich deutlich, dass der Konflikt unsere Aufmerksamkeit erfordert. Die Bevölkerung Bergkarabachs ist einer ethnischen Säuberung ausgesetzt, die genozidale Ausmaße bekommen kann, wenn der türkischen Regierung und seinem Vasallen Aserbaidschan nicht das Handwerk gelegt wird.

Um mit den Worten des Katholikos zu Enden: „Die Türkei verfolgt eine imperialistische Politik.“ Deshalb muss alles dafür getan werden, sie zu stoppen.

 

PS: Eine noch ausführlichere Version dieses Berichts, mit vielen weiteren Bildern und Videos, ist auf dem Nachrichtenportal der marxistischen linken erschienen.