Die Dystopie der Klimakatastrophe ist schon da – am Beispiel Südkurdistans

Gestern habe ich lange mit einem ezidisch-kurdischen Genossen gesprochen, der kürzlich in seiner Heimat in Südkurdistan war. Seine Familie lebt auf dem Land, in der Nähe des für EzidInnen heiligen Ortes Lalesh. Dort spielt sich gerade eine Katastrophe für die Menschen ab – die exemplarisch ist für die Klimakatastrophe.

Viele EzidInnen leben in der Region auf dem Land, sie bauen Weizen, Kichererbsen, Melonen und andere Früchte an. Das ist nicht mehr möglich, denn der Grundwasserspiegel ist gesunken und es regnet nicht mehr. Im Sommer wird es über 50 Grad warm, man kann über Wochen tagsüber nicht hinausgehen. In ihrer Verzweiflung sind die Bauern dazu übergegangen Mais anzubauen – doch auch das wächst nicht richtig. In der Folge des Maisanbaus gibt es immer weniger Insekten, immer weniger Blumen und dadurch immer weniger Bienen. Die Gegend stirbt buchstäblich aus. Und so sind die EzidInnen, die nach dem Genozid von 2014 noch nicht geflohen sind, jetzt gezwungen, ihre Felder zu verkaufen, die Dörfer zu verlassen und sich auf den Weg in die Städte und damit auch in die Assimilation und Unsicherheit zu machen. Nach Dohuk, Zakho, Erbil. Dort, wo es auch fast keine Arbeit, keine Verdienstmöglichkeiten gibt.

In allen Kaffeehäusern werde darüber gesprochen, wie man am besten nach Europa kommt, welche Route gerade frei ist und wie viel Geld dafür gespart werden muss, so der Genosse. Gleichzeitig haben türkische Konzerne eine rege Bautätigkeit entwickelt. Sie stellen Wohnungen für die Landflucht in Südkurdistan her – für diejenigen, die es sich leisten können. Wie Neu-Kairo, einer Stadt, die neben dem Moloch Kairo für die Oberschicht entstanden ist, massive Ressourcen bindet und das Überleben der Reichen sichern soll, entstehen auch in Südkurdistan riesige Gated Communities – Parallelstädte – für den Geld- und Öladel. Die Mauern fünf Meter hoch, an den Toren Peschmerga, die den Luxus bewachen und die Armen abweisen. Wer keine Bescheinigung hat, darf nicht rein. Eindrücke, die deutlich machen, dass die Klimakatastrophe nicht erst kommt, sondern für einen Großteil der Menschen schon da ist. Vor allem im Süden.

Genau um darauf hinzuweisen, haben wir letzte Woche in Lützerath demonstriert und zivilen Ungehorsam geleistet – und wir werden es weiter tun.