Feldnotizen vom 28/29.01.16
Am Donnerstag, den 28.1.16 bin ich mit Air Brussels über Brüssel nach Entebbe geflogen. Natürlich hatte der Flug Verspätung, sodass ich erst um halb Zwölf nachts gelandet bin. Ein Bekannter holte mich vom Flughafen ab und schon auf dem ca. 40km langen Weg in die Hauptstadt diskutierten wir heftig über die am 18.2.16 anstehenden Wahlen. Er ist sehr politisiert und ein Gegner des derzeitigen Präsidenten Yoveri Museveni.
Parteien in Uganda
Ein paar Worte zu den politischen Parteien in Uganda. Die größten Parteien sind die NRM (National Resistance Movement), hervorgegangen aus der NRA (National Resistance Army), die 1986 erfolgreich den Diktator Milton Obote (der übrigens mehr Menschen auf dem Gewissen hat, als Idi Amin) stürzte und deren Vorsitzender, Yoveri Museveni, nun seit 30 Jahren Präsident des Landes ist und jetzt wieder für weitere fünf Jahre kandidiert. Dann gibt es das Forum for Democratic Change (FDC), das von Dr. Kizza Besigye, dem Physiotherapeuten Musevenis im Guerilla-Krieg der 80er Jahre, geleitet wird. Bereits Anfang der 90er Jahre spaltete er sich vom immer enger werdenden Spektrum des NRM ab. 2001, 2006, 2011 und nun eben 2016 kandidierte er als aussichtsreicher aber (bisher) erfolgloser Kandidat gegen M7, wie Museveni in den Medien hier genannt wird. Aber bisher eben immer chancenlos, auch wenn er 2011 mehr als 37% der Stimmen bekam und das Wahlergebnis nicht anerkannte, was starke Proteste seiner Anhänger zur Folge hatte. Als dritter Kandidat, der vermutlich auch die dritt meisten Stimmen erhalten wird, ist M7´s ehemaliger Ministerpräsident, Amara Mbabazi, der sich immer noch als Teil der NRM-Bewegung sieht (über das Selbstverständnis des NRM als Bewegung und nicht Partei werde ich später noch etwas schreiben) und in der „Go Forward“-Formation als Präsidentschaftskandidat antritt. Insgesamt gibt es acht Parteien, die Kandidaten ins Rennen schicken, die restlichen fünf sind aber chancenlos. Eine Auflistung aller Kandidaten und der einzigen Kandidatin, Maureen Kyalya, findet ihr hier.
Es erscheint verwunderlich, wieso ich bisher noch nicht über die weltanschaulichen Unterschiede der Parteien gesprochen habe. Welche Partei ist links, welche rechts? Das Problem ist, es gibt diese Unterscheidungen in sozialdemokratisch, konservativ, neoliberal, sozialistisch usw. in meiner bisherigen Wahrnehmung in Uganda nicht. Ich hoffe fast, dass einige Uganda-ExpertInnen nun kommen und mir wütend Eurozentrismus vorwerfen, aber ich kann inhaltlich wirklich keine großen Differenzierungen feststellen, auch wenn ich kein großer Parteienexperte bin. Die meisten Parteien folgen der „Der Markt reguliert alles“-Doktrin, manche fordern mehr oder weniger staatliche Regulation, aber ansonsten gibt es inhaltliche Fraktionierungen, wie dies in Deutschland der Fall ist (außer bei CDU/CSU und SPD, dort ist ja die Politik mittlerweile sehr ähnlich und für den normalen Wähler sind fast keine Unterschiede mehr erkennbar) nicht. DIe NRM tendierte früher, vor 1989, übrigens zum sozialistischen Lager, in den 90er Jahren wurden dann allerdings ein sehr pragmatisch-neoliberaler Kurs eingeschlagen.
Die einzigen zwei Parteien, die man ansatzweise in dieses klassisch europäische Parteienprofil zwängen kann, sind die Democratic Party (DP) und der Uganda People´s Congress (UPC). Sie spielen bei den anstehenden Wahlen aber so gut wie keine Rolle. Die DP ist eine konservative Partei, die die CDU als Schwesterpartei sieht und die UPC, übrigens die ehemalige Partei Milton Obotes´, der bis zu seinem Tod 2005 deren Vorsitzender war, ist Mitglied der sozialistischen Internationale, tendiert also in Richtung Sozialdemokratie. Ansonsten ist die Parteienlandschaft und auch deren Funktionäre geprägt von Opportunismus. So kommt es häufig zu Wechseln innerhalb der Parteien, KandidatInnen der Oppositionsparteien werden vom NRM gekauft und auch Journalisten, die früher wütend gegen M7 angeschrieben haben, befinden sich heute im Wahlkampfteam der Regierungspartei. Woran diese „Inhaltslosigkeit“ liegt, kann ich mir nicht erklären, so ist dies in anderen Ländern dieses Kontinents oft auch anders (gewesen). Übrigens gibt es natürlich auch keine Kommunistische Partei – schade eigentlich. Aber wiederum auch gut, da ich hier nicht zum Politik machen bin
Leben im Luxus
Meine Unterkunft ist in der Nähe des Kololo Airstreps, einem großen Park im Villenviertel Kampalas. Direkt gegenüber der Gartenhütte, in der ich unterkomme, wohnt Präsidentschaftskandidat Amara Mbabazi, der bis Mitte 2014 Ministerpräsident Ugandas und Verbündeter von Langzeit-Präsident Museveni war und sich dann im Streit von ihm trennte. Jetzt ist er einer von acht Kandidaten für die Wahl des Präsidenten am 18.2.16. Die Hütte in der ich unterkomme ist Teil eines großen luxuriösen Anwesens, auf dem mehrere Angestellte arbeiten, Gärtner, Pool-Reiniger, Nannys, Küchenhilfen, zwei Wächter usw. Ein komisches Gefühl hier zu sein, zum einen den Luxus irgendwie zu genießen und zum anderen die Armut zwei Straßen weiter zu sehen. Hier ist die Schere zwischen arm und reich krass sichtbar und ich profitiere als „reicher“ Europäer davon.
Der Compound, auf dem ich lebe, gehört dem Leiter einer deutschen NGO in Uganda. Als ich mitten in der Nacht ankomme, fangen wir gleich an zu diskutieren. Michael*, der Hausherr, ist besorgt über den Ausgang der anstehenden Wahlen. Die NRM werde bei einer Wahlniederlage niemals die Macht friedlich aus der Hand geben, sagt er. Eine Wahlniederlage des NRM ist aber auch eine eher unwahrscheinliche Option. Als weitere Möglichkeit gilt, dass Museveni direkt mehr als 50% der Stimmen bekommt und daraufhin die Opposition das Ergebnis nicht anerkennen wird und es zu Unruhen kommen könnte. Wahlbeeinflussung funktioniert nämlich nicht nur über direkte Fälschung. Allein der Staatsapperat, der der Regierungspartei NRM für den Wahlkampf zur Verfügung steht, stellt ein massives Ungleichgewicht dar. Die dritte Möglichkeit des Wahlausgangs wäre, dass keiner der Kandidaten mehr als 50% bekommt und es dann eine Stichwahl geben müsste. Umfrageergebnisse, die von der staatsnahen Tageszeitung New Vision herausgegeben wurden, sehen M7 bei 71%, andere sehen ihn bei 51%. Es könnte also interessant werden.
Michael sieht in den letzten Monaten eine kontinuierliche Einschränkung des öffentlichen demokratischen Raumes. Als Beispiel nennt er den Kololo Airstrip, ein großer Park, der früher auch für offizielle Zeremonien und Paraden genutzt wurde. Dieser ist für die Öffentlichkeit nun von Sicherheitskräften gesperrt und der Zugang verboten worden. Als ich frage, ob ich da nicht morgens zum joggen gehen könnte, lacht er nur auf: „Dann erschießen sie dich“.
Deutschland mal relaxt – „Du“
Am nächsten Morgen habe ich direkt ein Gespräch mit der Deutschen Botschaft, die gleich um die Ecke ist. Eine Mitarbeiterin, nennen wir sie Bettina*, empfängt mich sehr freundlich und offen, das „Du“ scheint hier normal zu sein. Das ist angenehm. Auch wenn sie als Botschaft keine Warnung herausgeben werden, macht sie sich persönlich Sorgen um den Wahlausgang. 2011 seien die Wahlen „einfacher“ gewesen, da gab es nur die Entscheidung zwischen Besigye und Museveni. Dieses Jahr kandidiert ein Schlachtschiff der NRM, Mbabazi, gegen M7 und dies könne zu mehr Konflikten führen, da niemand seinen Einfluss auf die NRM einschätzen kann, so die Mitarbeiterin. Auch sie hebt den Opportunismus in der ugandischen Politik hervor. Es könne sogar sein, dass Mbabazi nach den Wahlen wieder ins Lager Musevenis wechsle, genauso könne er sich aber bei einer Stichwahl auf die Seite des FDC stellen und zur Wahl Dr. Besigyes aufrufen. Es wird klar: Unsicherheit prägt das derzeitige politische Stimmungsbild.
Die Aufstellung von sogenannten „Crime Preventers“ (grob übersetzt: „Verbrechensverhüter“) seitens der Regierung, die, ausgestattet mit Knüppeln, für Sicherheit in den Dörfern sorgen sollen, trägt da nicht gerade zur Beruhigung bei. Die Opposition wirft der Regierung den Aufbau paramilitärischer Strukturen zur Verteidigung der eigenen Macht vor. Gleichzeitig gibt es aber auch Berichte, dass andere Parteien ebenfalls „Sicherheitskräfte“ aufbauen. Die Ankündigung des Polizeipräsidenten Kayihura „Crime Preventers“ nun auch mit Waffen, anstatt mit Knüppeln zu bewaffnen, sorgte für heftige Diskussionen diese Woche. Das FDC hat angekündigt, an jeder Wahlurne mit zehn kräftigen Parteimitgliedern anwesend zu sein – Auseinandersetzungen mit den sog. Verbrechensbekämpfern sind da vorprogrammiert. Bettina, die Mitarbeiterin der Botschaft, sieht auch die Berichterstattung der Medien mit Sorge. Diese sei sehr hysterisch und polarisierend. In der Tat sehen die DinA3-Zeitungsplakate, die überall in der Stadt hängen, eher aus wie politische Plakate mit Slogans, als Werbung für die aktuelle Tagesausgabe einer Zeitung.
Nach dem interessanten Gespräch in der Botschaft fahre ich in die Innenstadt und genieße den Trubel des Zentrums. Durch den Bau von neuen Shopping Malls in den reicheren Gebieten der Stadt, in der vor allem auch die weißen Expats („Auswanderer“) leben, kommt es zu einer weitestgehenden Segregation der Stadt: In Downtown sieht man so gut wie keine Weißen mehr, sie kaufen jetzt in den besseren Gegenden, nahe ihrer Unterkünfte, ein. Als ich so durch die Menschenmenge laufe, fallen mir die Blicke auf, die es nicht (mehr) gewohnt sind, einen hellhäutigen Menschen durch die Straßen der Innenstadt laufen zu sehen.
Muzungu-Party im Goethe-Institut
Den Nachmittag verbringe ich damit, alte Kontakte für Experteninterviews aufzufrischen und neue Kontakte zu knüpfen. Schön ist, dass die Rücklaufquote von Anfragen so extrem hoch ist. So habe ich innerhalb eines Tages schon fast zehn Interviews für die kommende Woche ausmachen können, darunter einige wirklich hochrangige JournalistInnen, die Heribert Prantls Ugandas.
Am Abend fahre ich mit Michael ins Goethe-Institut auf eine sehr Muzungu dominierte Rooftop-Party mit einem sehr schönen Blick über die Hügel
Kampalas. Hier diskutieren wir über die „NGOisierung“ vieler Zivilgesellschaften Afrikas und die Situation Europas mit den Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und in Deutschland Schutz und ein menschenwürdiges Leben suchen. Interessanterweise gibt es unter Menschen aus Uganda ebenfalls massive Vorurteile gegenüber Refugees, die aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan nach Deutschland/Europa kommen. Zwei Gesprächspartner warnen uns, dass wir uns damit Terroristen ins Land importieren würden und es doch nicht angehen könne, dass diese Menschen einen Teil des von „den Deutschen“ produzierten Kuchens haben wollen. Wir argumentieren lautstark dagegen, zu einer Einigung kommen wir aber nicht. Schade eigentlich, stellt Uganda ja ebenfalls ein Zielland für Flüchtlinge in der Region Ostafrikas dar. AFD-Positionen hätte ich hier nicht erwartet, vor allem weil es auch viele Menschen aus Uganda gibt, die nach Europa fliehen.
Dies war der (Feld-)Bericht des ersten Tages. In den kommenden Tagen wird es medienspezifischer weitergehen. Für Anregungen, Kritik und Hinweise bin ich immer offen.
* Namen geändert.