Feldnotizen vom 14/15.02.16
Am heutigen Montag hat die letzte Woche des Wahlkampfs begonnen, genauer gesagt, die letzten zwei Tage. Denn 24 Stunden vor Wahlbeginn darf keine politische Werbung mehr gemacht werden. Das heißt heute und morgen finden die letzten Wahlkampf-kundgebungen statt. Während am vergangenen Samstag bei der Präsidentschaftskandidatendebatte noch alles friedlich war und sich alle Bewerber zum Gebet sogar die Hand gereicht haben, entladen sich heute die in den letzten Wochen aufgebauten Spannungen. So ist die Polizei in Kampala gegen eine Wahlkampftour Dr. Kizza Besigyes durch die Innenstadt vorgegangen.
Mit Tränengas und Gummigeschossen versuchte sie die lange Prozession aus Autos, Boda Bodas und Demonstranten zu vertreiben. Dabei inhaftierte die Polizei sogar kurzfristig den Kandidaten Dr. Besigye. Hintergrund der Auseinandersetzungen ist, dass die Behörden Teile der Innenstadt mit einem generellen Demonstrationsverbot belegt haben, um, wie es heißt, die Geschäfte und den Verkehr nicht zubeeinträchtigen, sowie Gewalt unter den verschiedenen Anhängern der Parteien zu vermeiden. Auch der Auftritt des aussichtsreichsten Oppositionskandidaten auf dem Campus der Makerere Universität wurde von der Polizei und Spezialeinheiten des Militärs verhindert. Es kommt gerade in den benachbarten Vierteln deswegen zu Straßenschlachten. Unbestätigten Meldungen zufolge soll es einen toten Demonstranten geben.
Die taz-Auslandskorrespondentin Simone Schlindwein sieht aber keinen großen Grund zur Besorgnis und schreibt auf ihrer Facebook-Seite: „Das ugandische Regime und die Opposition spielen wieder Katz und Maus. Wie 2011, Tränengas, Polizei und Militär auf den Straßen, Chaos und totale Unorganisiertheit. Das ist die typisch ugandische Art Demokratie-Spielchen zu spielen.“ Auch mein Gastgeber meint, dass Dr. Besigye bewusst provoziert und es natürlich darauf ankommen lässt für kurze Zeit von der Polizei in Gewahrsam genommen zu werden. Und die Sicherheitskräfte taten ihm sogar den Gefallen. Bessere Presse und Aufmerksamkeit bekommt man nur selten, das werden die morgigen Schlagzeilen sein.
„Museveni überlebt Tod“
A pro pos Schlagzeilen. Auf dem Bild seht ihr, mit welchen Überschriften die größten Tageszeitungen am heutigen Montag, nach dem TV-Duell, aufgemacht haben. New Vision: „Welcher Kandidat diskutierte am besten?“, Daily Monitor: „Wettstreit zwischen Museveni und Besigye dominiert zweite Debatte“ und die Red Pepper: „Museveni überlebt Tod. Panik als komische Menschen in einer Hochburg Besigyes Chemikalien auf M7 werfen“. Wie bitte? Dieser Titel sorgt natürlich für Aufsehen. Ich kaufe mir die Zeitung und lese den dazugehörigen Artikel und es stellt sich heraus: Nicht nur die Bild-Zeitung schafft es das Niveau täglich zu senken, nein, auch die Red Pepper kann das. Faktenlage: Auf einer NRM-Wahlkampfkundgebung in Kazo wurden aufgrund der großen Hitze Wasserflaschen an die Menschen verteilt. Als der gepanzerte Jeep des Präsidenten eintraf, haben einige NRM-Anhänger (vor Freude?) Wasser auf das Dach und die Scheibe des Wagens gespritzt. Das war es. Aus diesem In-China-fällt-ein-Sack-Reis-um-Vorfall macht die Red Pepper ihren Aufmacher und schreibt, dass Museveni knapp dem Tod entronnen ist. Denn die Flüssigkeit hätte ja auch gefährlich sein können. Wäre da nicht noch das Dach zwischen Wasser und dem Kopf des Präsidenten gewesen. Und das ganze ist natürlich in einer Hochburg des Gegenkandidaten Besigye passiert. Solche Schlingel aber auch. Dies zeigt exemplarisch, wie die (Boulevard-)Presse hier arbeitet.
Noch mal zu dem Schlagzeilen-Überblick zurück. Einigen ist vielleicht Überschrift „Araber zwangen mich Wasser aus der Toilette zu trinken“ aufgefallen. Die Boulevard-Zeitung hello! Beschäftigt sich seit Tagen mit nichts anderem, als einem vermeintlichen Sexskandal zwischen ugandischen Frauen und arabischen Männern. Das hat natürlich oberste Priorität.
Ruth Aine – Bloggerin und Mitglied im FDC-Social-Media-Team
Mein erstes Interview fand heute mit Ruth Aine statt. Sie ist Social Media-Expertin, hat für die Africa Against Ebola Initiative gearbeitet und ist Teil des freiwilligen Social Media-Teams des Forum for Democratic Change (FDC). Insgesamt fünf Jugendliche betreuen ohne Entgelt die Internetkampagne Dr. Besigyes. Ruth betont aber, dass sie nicht Mitglied des FDC sei. Ihrer Meinung nach sei vielen Parteien die Wichtigkeit des Web 2.0 noch nicht bewusst. Beeindruckt erzählt sie, dass es 129.000 Tweets allein zur Präsidentendebatte am vergangenen Samstag gegeben habe und das Thema für einige Stunden zu einem weltweiten Trendthema auf Twitter wurde. Dabei spiele Social Media nicht unbedingt eine große Rolle bei der Wahlentscheidung. Vielmehr stelle es einen prinzipiellen Zugang zu Informationen her, der bisher noch nicht so dagewesen ist. Momentan gibt es die Initiative von 27 BloggerInnen in Uganda, diese Woche auf jedem ihrer Blogs jeden Tag einen Wahl-bezogenen Artikel unter dem Hashtag #UGBlogWeek zu veröffentlichen. Organisiert werde dies über eine Whatsapp-Gruppe, die sie mir auf ihrem Handy zeigt. Auch Ruth Aine bloggt und zwar hier. Interessanterweise wird Ruth selber gar nicht wählen, wie so viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe. Ihr hätte der Registierungsprozess, bei dem man eine Stunde Schlange stehen musste, zu lange gedauert, deshalb hat sie sich erst gar nicht angestellt. Sie ist nicht die einzige. Von ca. 35 Millionen Einwohnern, sind nur 15 Millionen für die Wahlen registriert. Das ist sehr wenig, wobei bedacht werden muss, dass ein großer Teil der Menschen unter 18 Jahren ist. Genaue Zahlen konnte ich nicht finden, allerdings sind 70% der Bevölkerung unter 25 Jahre alt.
Die Bloggerin sieht in ihrer Arbeit, auch zu Wahlzeiten, keinerlei Einschränkungen: „Wir können hier alles sagen“. Vermutlich auch deswegen, da die Blogosphäre noch keine so große Öffentlichkeit in Uganda genießt.
Vorbei an hochgerüsteten Polizeimannschaftswägen, die besonders jetzt massiv durch die Straßen patroullieren, geht es zum nächsten Interview.
URN – Uganda Radio Network
In einem Wohnviertel in der Nähe von Kisementi liegt das Uganda Radio Network (URN). Dort habe ich ein Gespräch mit Barbara Among, der Chefredakteurin der Nachrichtenagentur, die speziell auf Radios ausgerichtet ist. Barbara ist eine erfahrene Journalistin. In den 12 Jahren ihrer Karriere hat sie bei der New Vision und im Daily Monitor gearbeitet, aber auch für internationale Zeitungen wie den Guardian oder den Independent berichtet. Seit letztem Jahr ist sie die Chefin bei URN. Mit 14 Außenstellen und Freelancern in jedem der mehr als 100 Bezirke hat die Nachrichtenagentur ein großes landesweites Netzwerk. 89 der mehr als 260 registrierten Radiostationen würden von URN Nachrichten beziehen, so die freundliche und gesprächige Frau. Das größte Problem sind auch für Barbara die Eigentumsstrukturen der Radiosender, auch und vor allem während der Wahlzeit. Dies betreffe auch christliche Stationen, vor allem die weitverbreiteten Pentecostal-Kirchen, in Deutschland unter Pfingstbewegung oder „Born Again“-Bewegung bekannt. Deren evangelikalen Sender, die massiv aus den USA finanziert werden, hätten öffentlich ihre Unterstützung Präsident Musevenis erklärt. Warum? „Weil sie keine Steuern zahlen müssen“, vermutet die Journalistin.
Hier kommt das URN ins Spiel. Oft sei es so, dass zwar die Radiosender selbst viele Nachrichten aufgrund des Drucks nicht produzieren können, die Redakteure aber deshalb oft auf Angebote des UNR zurückgreifen, mit dem Hinweis, dass dies ja nicht von ihnen, sondern von der abonnierten Nachrichtenagentur komme. „Wir dienen als Puffer“, meint Barbara. Dies sei auch gut so, denn ihre Nachrichtenagentur sei mit genügend Mitteln ausgestattet, um Prozess- und Anwaltskosten tragen zu können.
Eine weitere Einflussmöglichkeit und Einschränkung der Pressefreiheit stellt für sie die Uganda Communication Commission dar. Viele der Radiosender würden keine Steuern zahlen und Miesen bei den Behörden haben. Dies spiele so lange keine Rolle, bis ein Sender wie Endegyito FM den Präsidentschaftskandidaten und Erzfeind des Präsidenten Amama Mbabazi interviewt. Dann wird mit der Begründung des Steuerrückstandes der Sender kurz- oder längerfristig geschlossen.
Die Medienfreiheit schätzt Barbara deshalb als 50/50 ein: „Es gibt eine unsichtbare Linie, die vom Staat definiert wird und sich verändern kann, je nachdem was der Staat als im Sinne des ‚Öffentlichen Interesses‘ definiert.“ Für Journalisten sei es besonders zu Wahlzeiten schwierig, die Grenzen dieser unsichtbaren Linie zu erkennen. Eine Grenze stellen aber immer Themen der nationalen Sicherheit dar.
Im Vergleich zu den Wahlen 2006 und 2011, bei denen sie schon als Journalistin gearbeitet hatte, sei die Berichterstattung diesmal schlechter. Es gehe nur darum, welcher Politiker die größten Kundgebungen habe, aber nicht mehr um Themen. Das sei für sie speziell der „Tod des Fotojournalismus“. Dahinter stehen für sie drei maßgebliche Gründe:
- Es gebe zu wenig erfahrene Journalisten in der Branche. Die meisten seien zwischen 22 und 25 Jahre alt und könnten selber erst zum ersten Mal wählen. Diese Unerfahrenheit spiegele sich in der Berichterstattung wieder, die nur auf Äußerlichkeiten fixiert sei.
- Durch die Reduzierung der Budgets, die von den Redaktionen für die Wahlkampfberichterstattung vorhergesehen sind, komme es zu einem „Embedded Journalism“. Damit ist gemeint, dass viele Journalisten von den Kandidaten auf ihren Wahltouren bezahlt werden. Dies wurde mir im Interview mit der Go Forward-Medien-Aktivistin Achola Rosario so bestätigt.
- Es gebe einen aggressiven Wahlkampf, um Journalisten zu beeinflussen. Die Medienteams der Kandidaten seien besser organisiert als einzelne Medienhäuser. Sie würden sich um Social Media und die schnelle Bereitstellung von Fotos, Texten und Videos kümmern, was von den Medien dann oft übernommen werde.Ein wirklich interessantes Gespräch, dass noch viel mehr Details ans Licht gebracht hat, als hier wiedergegeben werden können.
Warum Godfrey Nabongo?
Nach diesem Interview folgt eine komisch-witzige Story. Ich treffe mich mit meinem Kontaktmann im Informationsministerium. Er sitzt im 6. Stock eines Behördengebäudes und ist unter anderem für die täglichen Presse-Clippings des Ministeriums verantwortlich, die dann den einzelnen Abteilungen und Ministern zugesandt werden. Wir verstehen uns wirklich gut und besprechen fast jeden Tag, welche Personen für mich noch relevant und interessant sein könnten. Er geht seine Kontaktliste durch und sagt auf einmal: „Ha, den musst du interviewen, der ist interessant für dich“. Es handelt sich um Godfrey Nabongo, Manager und Chef des Departments für Kommunikation und Public Relations im nationalen Statistikamt. Wenn irgendwelche Erhebungen oder Statistiken veröffentlicht werden, ist er der Kontaktmann zur Presse. Ich frage mich, warum ausgerechnet diese Person für mich wichtig sein soll? Aber schon hängt mein Bekannter am Telefon und hat einen Termin ausgemacht.
Wie erwartet war das Interview für meine Forschungsthematik Medien und Wahlen in Uganda nicht sehr ergiebig, aber trotzdem interessant zu sehen, wie die Kommunikation zwischen der Presse und dem Statistikamt funktioniert. Außerdem konnte ich so an aktuelle Zahlen zur Bevölkerungsstruktur Ugandas kommen, die für die Masterarbeit relevant sein könnten.
Auf dem Weg nach Hause habe ich mir bei einem kurzen Abstecher in den Uganda Bookshoop eine Reihe von medienrelevanten Gesetzen gekauft, um die rechtliche Situation der Medien mit Hilfe dieser Originaldokumente analysieren zu können.
Zum Schluss sei noch ein schöner Artikel von Simone Schlindwein aus der Wochenendausgabe der taz zu den Wahlen empfohlen. Ich teile zwar die Einschätzung, dass die ganze Aufregung um die Wahlen nur ein Familienstreit zwischen Mbabazi und Museveni ist, nicht ganz, aber der Artikel gibt einen sehr guten Überblick über die anstehenden Wahlen und die Hintergründe.