Feldnotizen vom 11-13.02.16
Die letzten drei Tage standen vor allem Interviews mit Regierungsmitarbeitern und NGOs auf der Tagesordnung. Durch einen guten Kontakt in das Informations-Ministerium stehen mir dort die Türen offen für alle möglichen hochrangigen Personen, die mit Medien zu tun haben. Davor aber noch ein paar Anmerkungen zum Verlauf des Forschungsprozesses. Bisher sind etwas über 30 Interviews geführt worden, darunter befinden sich Medien-NGOs, Wissenschaftler, Beamte und natürlich Journalisten. Langsam merke ich, dass bei den meisten Themen eine gewisse theoretische Sättigung erreicht wurde. Das heißt, dass bei den Interviews nicht mehr viel Neues herauskommt. Die verschiedenen Narrative über das ugandische Mediensystem, je nachdem welche Person in welcher Position man befragt, sind weitestgehend beleuchtet. Die meisten Fragen habe ich mehrmals von verschiedenen Personen beantwortet bekommen, auch um eine gewisse Kontrolle über die Aussagen zu bekommen. Die Antworten unterscheiden sich nur noch in Details. Trotzdem werde ich nächste Woche noch einige Interviews führen, vor allem mit Menschen, die eine ganz eigene Perspektive auf das Mediensystem haben. So zum Beispiel mit einer Journalistin von CBS, einer Radiostation, die dem Königreich Buganda gehört, das für mehr Unabhängigkeit und eine Föderalisierung Ugandas einsteht und eigene politische Ambitionen hat. Genau wegen dieser Rolle und den damit zusammenhängenden politischen Auseinandersetzungen, war das Radio von 2009-2010 für mehr als ein Jahr von der Uganda Communication Commission (UCC) geschlossen worden. Ein paar Interviews mit weiteren NGOs stehen auch noch auf der Tagesordnung. Dabei werde ich mich bei der Interviewführung nicht strikt am Leitfadenentwurf orientieren, sondern auch andere Aspekte erfassen. Und wenn man ehrlich ist: Sollte das eine oder andere Interview „unbrauchbar“ sein, also keine neuen Informationen enthalten, dann muss es auch nicht unbedingt in die wissenschaftliche Auswertung mit einfließen.
Ein weiterer Gedanke, der mich beschäftigt und bei längeren Feldbeobachtungen vermutlich zwangsläufig auftritt, ist das Stockholm-Syndrom. Das ist zwar nicht wirklich der richtige Ausdruck, aber es geht um die Identifikation und ein positives Verhältnis zum Untersuchungsobjekt bzw. den Interviewpartnern. Das interessante an Uganda ist, dass hier eine enorme Gesprächsbereitschaft besteht, alle Menschen ein großes Mitteilungsbedürfnis haben und sehr sympathisch sind. Das führt dazu, dass ich beginne mich mit Meinungen und Aussagen zu identifizieren und sie „richtig“ oder „falsch“ finde. Das heißt die Rolle des objektiven Forschers wird schwieriger einzuhalten. Zwar bin ich sowieso kein Fan vom Postulat der wertneutralen, vermeintlich objektiven Forschung – jede Forschung ist untrennbar auch mit der Person verbunden, die sie durchführt, egal ob es sich um qualitative oder quantitative Wissenschaft handelt – aber schon in diesem Stadium des Forschungsprozesses sich auf eine Seite zu stellen, ist problematisch. Dabei ist es oft schwer zu sagen, welche Seite denn die „Richtige“ ist.
Ein kleines Beispiel, über das schon geschrieben worden ist: Die Debatte um Zugangsbeschränkungen zum Parlament für Journalisten ohne Universitätsabschluss und weniger als drei Jahren Berufserfahrung. Der Generalsekretär der Vereinigung der im Parlament arbeitenden Journalisten, Moses Kajangu, sowie andere NGOs, sehen es als eine Einschränkung der Pressefreiheit an, dass nicht mehr jeder Journalist, egal ob mit oder ohne Uni-Titel, aus dem hohen Haus berichten kann. Das ist verständlich. Chris Obore, Direktor für Kommunikation des Parlaments argumentiert dagegen, dass es ihm zum einen um Qualitätssicherung und gute Berichterstattung geht. Und in der Tat: Einige Berichte aus Parlamentsdebatten strotzen nur so von Halbwahrheiten, Sensationsgier und Unkenntnis über parlamentarische Abläufe. Zum anderen geht es darum, Bestechung zwischen Abgeordneten und Journalisten, zu verringern. Dies könnte durch eine formale Zugangshürde gelingen. Denn Journalisten mit Uniabschluss verdienen mehr und sind besser ausgebildet. Die moralischen und ökonomischen Hürden, Bestechungsgelder für eine positive Berichterstattung anzunehmen, sind somit höher. Ich ertappe mich dabei, darüber nachzudenken, wer denn nun recht hat.
Moses Watasa – Kommissar für Information
Am Donnerstag ging es das erste Mal ins Office of the Prime Minister. Das ist kein Büro im eigentlichen Sinne, sondern ein großes modernes Behördengebäude, dass auf dem Gelände des Parlaments steht. Dort sind diejenigen Ministerien untergebracht, die unter der Verwaltung des Premierministers stehen.
Dazu gehört auch das Ministerium für Information und nationale Anleitung. Verabredet bin ich mit dem Kommissar für Information, Moses Watasa, der mich in seinem großen Büro empfängt. Über eine dreiviertel Stunde sprechen wir über seine Aufgaben und seine Gedanken zur Medienfreiheit. Watasa, der lange Jahre selbst Journalist war, berichtet, dass es mittlerweile 268 Radiostationen, 50 Tageszeitungen und 50 TV-Stationen im Land gibt. Seiner Meinung nach gibt es zwar Probleme im Mediensystem, aber Vorkommnisse wie die kurzzeitige Inhaftierung eines BBC-Teams oder die mehrtägige Schließung des Radiosenders Endegyito, nachdem er ein Interview mit Go Forward-Kandidat Amama Mbabazi ausgestrahlt hatte, stellen für ihn Ausnahmefälle und keine offizielle Politik dar. Solche Dinge geschehen seiner Meinung nach, auf Anordnung lokaler Autoritäten, im vorauseilendem Gehorsam, um dem Präsidenten oder der NRM zu gefallen. Dagegen müsse entschieden vorgegangen werden. Um dem Zahlen von Bestechungsgeldern, auch seitens der NRM-Kandidaten, an Journalisten, den Boden zu entziehen, diskutiert das Ministerium gerade einen Mindestlohn für Medienschaffende einzuführen.
„Im Vergleich zu anderen ostafrikanischen Ländern haben wir hier Medienfreiheit“, sagt Watasa. Denn wenn wir die geltenden Mediengesetze wirklich eins zu eins anwenden würden, dann dürften 50% der praktizierenden Journalisten gar nicht mehr arbeiten. So gilt zum Beispiel die Regel, dass jeder Journalist Mitglied im Nationalen Institut für Journalisten in Uganda (NIJU) sein muss. Dieses existiert aber momentan nur auf dem Papier – das Ministerium arbeitet gerade an einer Wiederbelebung der Organisation.
Ein interessantes Gespräch, das natürlich viel facettenreicher war, als hier beschrieben. Es ist übrigens eine generelle Schwierigkeit, zentrale Aussagen der Interviews hier schriftlich festzuhalten. Denn in der Interviewsituation muss man darauf achten, dass das Aufnahmegerät funktioniert, welche Fragen noch zu stellen sind, welche sich schon erledigt haben, gleichzeitig sollte man dem Gesprächspartner auch kommunikativ in die Augen schauen und wenigstens so tun, als ob man aufmerksam zuhört. Dann auch noch zentrale Aussagen stichpunktartig zu notieren, ist schwer.
ACME in Aktion
Mittags fahre ich weiter ins Hotel Africana, dort veröffentlicht das African Center for Media Excellence gerade den Januar-Bericht ihrer Wahlberichterstattungsuntersuchung. Auf die Details dieses interessanten Reports wird hier nicht eingegangen. Bemerkenswert ist der Ablauf der Veranstaltung. Nach einer Präsentation der wichtigsten Ergebnisse, diskutieren mehr als 60 anwesende Journalisten, Medienwissenschaftler und Vertreter der NRM und der Demokratischen Partei über den Bericht. Viel Einfluss wird dabei der öffentlichen TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten Mitte Januar zugeschrieben. Dort diskutierten alle Bewerber, bis auf Amtsinhaber Museveni, ihre Positionen. Dies hat in der Anschlussberichterstattung dazu geführt, dass auch die nicht so aussichtsreichen Kandidaten signifikant mehr Medienaufmerksamkeit erfahren haben. Am gestrigen Samstag stand nun die zweite und letzte Debatte vor den Wahlen an, dazu aber später mehr.
Die Diskutanten kritisieren auch den Violence-Frame einiger Medien, über den in diesem Blog auch schon geschrieben wurde. Sarah Kakingo, Journalistin und Inhaberin einer PR-Agentur, berichtet sogar, dass in ihrer Nachbarschafts-Whatsappgruppe(!) deshalb schon darüber diskutiert werde, die Kinder über die Wahltage in die Dörfer zu bringen, aus Angst vor möglicher Wahl-Gewalt. Die Medien sollten sich jedoch, ihrer Meinung nach, darauf konzentrieren, eine friedliche Atmosphäre zu erschaffen.
Beim anschließenden Mittagessen, sponsored by ACME, erzählt ein Kollege am Tisch, dass die Umschaltung von analogem zu digitalem Fernsehen im Juni 2015 auch zu großen Veränderungen der Medienrezeption auf dem Land geführt habe. Die Menschen hätten zwar keinen eigenen Fernseher, aber eine reiche Familie mit TV-Zugang gebe es immer und nun sei der digitale Empfang von unterschiedlichsten Sendern möglich und nicht mehr nur des UBC-Staatsfernsehens. Abends versammeln sich dann alle Menschen des Dorfes vor dem Fernseher und schauen die Nachrichten an. Die Leute würden in den privaten Sendern, wie WBS, NTV oder NBS, nun das erste Mal sehen, dass auch oppositionelle KandidatInnen große Menschenmengen auf ihren Kundgebungen versammeln. Diese wurden von UBC nie übertragen und das könnte auch einen Effekt auf den Wahlausgang gehabt haben.
Simon Mayende – Der Direktor
Die nächsten beiden anstehenden Interviews wurden zum ersten Mal in der Zeit hier in Kampala verschoben. Paul Bukenya, Sprecher der Wahlkommission, die den Urnengang zu verantworten hat, hatte zuerst einem Interview am Donnerstag Nachmittag zugestimt, musste dann aber schnell auf eine Schulung zur Anwendung der Wahlautomaten fahren und hat gebeten, den Termin zu verschieben. Genauso auch das Gespräch mit Kenneth Paul Kakande, Sprecher der Demokratischen Partei und aussichtsreicher Parlamentskandidat in Kampala.
Es musste verschoben werden. Schuld war der Stau, der die Stadt in regelmäßigen Abständen komplett lahm legt. Dafür stand dann am Freitag Vormittag ein Interview mit Simon Mayende an. Mayende ist Direktor für Information und nationale Anleitung und steht in der Rangfolge direkt nach dem entsprechenden Minister, Jim Muhwezi. Ein ziemlich hohes Tier also – der aber sehr offen und nett ist. Auch Mayende sieht Probleme bei einigen Resident District Commissioners in abgelegenen Gebieten: „Sie sind sehr mächtig und können manchmal bestimmen, was Journalisten machen und was nicht.“ Ein weiteres Problem sind, wie schon öfters benannt, die Eigentumsstrukturen einiger Medienhäuser, die Einschränkungen mit sich bringen würden, so der Direktor.
Laut Mayende haben diese Wahlen, Präsident Museveni dazu gebracht, die Wichtigkeit von Informationsverbreitung und Transparenz anzuerkennen und er versichert mir, dass nach dem Wahltag am 18.2.16 die Medienfreiheit auf keinen Fall eingeschränkt werde. Was ihn aber ärgere, ist die Überheblichkeit einiger ausländischer Journalisten, die hierherkommen würden und sich nicht an die Regeln halten würden, sondern denken, dass sie überall ohne Genehmigung drehen könnten – damit bezieht er sich auf das BBC-Team, dass für vier Stunden festgehalten wurde, als es vor einem Krankenhaus drehen wollte. Regulierungsbedarf gebe es vor allem bei Social Media, dies sei jetzt besonders deutlich geworden, als falsche Wahltermine sich rasant über Facebook verbreitet haben. Dies könne dazu führen, dass einige Menschen erst am 19.2. zum wählen gehen wollen. Deshalb denke das Ministerium gerade darüber nach, wie bestehende Kommunikationsgesetze um Social-Media-Paragraphen erweitert werden könnten.
Eine Aufgabe des Informations-Ministeriums sei es, so der Direktor, in den Medien über die Regierung verbreitete Lügen richtigzustellen. Dies geschehe vor allem im öffentlich-rechtlichen Sender Uganda Broadcasting Corporation (UBC). Das hier ein anderes Verständnis von öffentlich-rechtlichen Anstalten vorherrscht, ist deutlich. UBC wird als eine Art Verlautbarungsorgan für Regierungspositionen gesehen. Besonders zu Wahlzeiten gebe es vom Ministerium Teams, die die Berichterstattung der Medien beobachten, um auf mögliche Falschmeldungen reagieren zu können.
Robert Ssempala – HRNJ-U
Am Nachmittag bekomme ich einen Anruf, ob ich spontan Zeit hätte für ein Interview mit Robert Ssempala, dem Leiter von Human Rights Network for Journalists – Uganda. Er ist sozusagen der NGO-Gegenpart zu Mayende und Watasa, die ich davor interviewt habe. Das HRNJ-U dokumentiert Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten, vor allem jetzt zu Wahlzeiten.
„Wahlen sind der Lackmustest für unsere demokratischen Werte“, sagt Robert. Bisher 40 (kleinere) Fälle haben sie in den letzten Monaten dokumentiert, meistens war die Polizei darin involviert. Für ihn sei dies staatliche Politik und keine Einzelfälle, da die Täter so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen würden. Besonders kritisch sei die Situation für Journalisten, die direkt von der „Frontlinie“ berichten würden, also Wahlkundgebungen, politische Demonstrationen und Aktionen. Beim Einschreiten der Polizei werden als erstes oft die Journalisten angegriffen. Auch kritische Journalisten haben es schwer. Trotzdem mein Robert, dass Uganda im Vergleich ein freies Land sei.
Hier sind natürlich auch wieder die Interessen zu beachten: Das HRNJ-U ist von Geldern aus dem Ausland abhängig und deshalb natürlich auch daran interessiert möglichst viele Fälle zu dokumentieren und öffentlich zu machen.
Das größte Problem stelle Selbstzensur dar, so Robert, der jahrelang als Journalist gearbeitet hat.
Weitere Interviews und Public Viewing
Aus Platz- und Zeitgründen gehe ich auf die am Samstag geführten Interviews nicht mehr ausführlich ein. Heute ist Sonntag und bisschen Freizeit tut auch mal gut. Auf dem Programm stand der Journalist Angelo Izama,
der von der New Vision als einer der besten Journalisten Ugandas bezeichnet wird. Er arbeitet vor allem im Investigativbereich sowie in Beratungsfunktionen. So hat er das Wahlnachrichtenportal http://elections.co.ug/ der Vision Group initiiert, das wirklich gut und unabhängig über die Wahlen berichtet. Ein weiteres wichtiges Gespräch habe ich mit Prossy Kawala, die Medienkompetenz-Trainerin und Leiterin von CEMCOD (Center for Media Literacy and Community Development) ist. Der Schwerpunkt des Gesprächs liegt auf dem Einfluss der
niedrigen Medienkompetenz im Land auf die Wahlen und die Berichterstattung darüber. Ein sehr interessantes Gespräch, da wir schon 2014 festgestellt hatten, dass die geringe Medienkompetenz dazu führt, dass staatliche Eingriffe und Beschränkungen des Mediensystems, auf keinen großen Protest seitens der Bevölkerung stoßen. Es findet keine Solidarisierung mit den angegriffenen Medien statt. Gegen Ende des Tages treffe ich mich noch mit Monica Chibita, eine der besten Kommunikationswissenschaftlerinnen im Land und Professorin an der Uganda Christian University.
Am Samstag Abend geht es dann zu Grace Natabaalo, Mitarbeiterin von ACME. Dort findet eine Art Public Viewing der zweiten und letzten Präsidentendebatte statt. Mit Bier, Waragi-Gin und BBQ erinnert das ganze eher an einen „Germany´s next Top Model“-Mädelsabend, zumindest ist es genauso witzig. Die live ins ganze Land übertragene Debatte wäre ein eigener Artikel wert. Mit einer Dauer von mehr als 4,5 Stunden(!) ist es die längste Fernsehdiskussion, die ich je gesehen habe und alle KandidatInnen schlagen sich gut. Präsident Museveni, der an der ersten Debatte mit der Begründung, er würde an keinen Highschool-Debattierclubs teilnehmen, abgesagt hatte, viel durch eine große Portion Humor auf. Die Debatte ist auf jeden Fall das meistdiskutierte Event der letzten Tage.
Zum Schluss noch ein bildliches Beispiel wie Social Media-Inhalte in Printmedien wiedergegeben werden. Man achte auf die Putin-Kommentare.
So, das reicht jetzt aber. Einen schönen Rest-Sonntag euch.