Nach knapp 4 Wochen ist meine Zeit in Nordsyrien zu Ende. In den letzten Tagen habe ich mich in der Internationalistischen Kommune von Rojava in der Nähe von Derik aufgehalten. Ein wirklich interessantes Projekt. Dort kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen, um an der Revolution teilzuhaben und nach einiger Zeit ihre Erfahrungen mit in die Heimatländer zu nehmen. Derzeit haben sie eine Kampagne am Laufen, die sich „Make Rojava Green Again“ nennt. Sie soll die Wiederaufforstung in der Gegend betreiben. In den letzten Jahrzehnten wurden in Nordsyrien so gut wie alle Bäume abgeholzt. Das habe ich mit eigenen Augen auf der Fahrt von Kobane nach Qamischli gesehen. Man fährt stundenlang durch baumlose Landschaften. Warum dies so ist? Das syrische Regime nutzte die Gegend zu exzessivem Weizenanbau, sie war und ist die Kornkammer des Landes. Hierfür wurden die Waldbestände abgeholzt, um Anbaufläche zu gewinnen. Der Rest wurde als Feuerholz verbraucht. Bis zum Beginn der Revolution 2012 war es explizit verboten neue Bäume anzupflanzen. Das ist jetzt anders. Auf Ökologie und Umweltschutz wird in der Theorie viel Wert gelegt. In der Praxis sieht das jedoch noch anders aus. Das Umweltbewusstsein der Menschen ist hier noch nicht weit entwickelt, andere Probleme, wie Krieg, Vertreibung, Arbeitslosigkeit, stehen berechtigterweise (noch) im Vordergrund. Das will die Internationalistische Kommune jetzt allerdings aufgreifen und ändern. So hat sie auf ihrem Gelände bereits eine Baumschule angelegt, in der verschiedenste Baumsorten in einem Gewächshaus wachsen. Außerdem sind schon Flächen ausgesucht worden, die bepflanzt werden sollen. „Klar, hat der Angriffskrieg auf Afrin auch unsere Tagesordnung bestimmt. Trotzdem sind solche Projekte wichtig und wir machen weiter“, sagt Serhat, der sich seit mehr als einem Jahr in der Kommune aufhält. Derzeit finden in verschiedenen europäischen Ländern Infoveranstaltungen statt, um das Projekt bekannter zu machen und Geld zu sammeln. (Falls ihr Interesse an einer Veranstaltung zum Thema Ökologie in Rojava habt, dann könnt ihr mich gerne kontaktieren)
Die Kommune liegt in einem malerischen Dorf in der Nähe der Stadt Derik. In Derik selbst leben besonders viele syrische Christen verschiedenster Art: es gibt Chaldäer, Armenier, Assyrer. Alle haben ihr eigenen Kirchen. Genau am Palmsonntag machen wir einen Spaziergang durch die Stadt und sehen, wie diese genutzt werden. Sie sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Menschen tragen ihre besten Klamotten, die Frauen tragen schöne Kleider. Vor den Gotteshäusern stehen Polizisten der Sutoro-Einheiten, die extra zum Schutz der in der Region lebenden Christen aufgestellt worden sind.
Derik ist die sauberste und aufgeräumteste Stadt, die ich in Rojava gesehen habe. Und sie ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Christen und Moslems leben hier, wie im restlichen Nordsyrien auch, ohne Probleme zusammen. Auf der Straße sieht man Frauen im Kopftuch neben Frauen mit kurzem Minirock laufen. Wenn man das als Fortschritt sehen will.
Interviews mit kurdischen Journalisten oder Menschen, die irgendwie mit dem nordsyrischen Mediensystem zu tun haben, stehen nicht mehr an, sodass ich mich auf den Weg nach Südkurdistan mache. Dort werde ich den bekannten Journalisten Kamal Chomani in der Bergstadt Choman treffen und interviewen, als auch mit dem niederländischen Journalisten Wladimir van Wilgenburg, der seit Jahren in der Region arbeitet und sich bestens mit kurdischen Medien auskennt.
Dieses Tage- und Forschungsbuch findet hiermit sein Ende. Die Begeisterung für Rojava allerdings nicht. Das was ich hier gesehen und erlebt habe, werde ich auf Veranstaltungen in der kommenden Zeit präsentieren. Zusammen mit meinem Professor Michael Meyen arbeiten wir gerade an einem Buch zur historischen und aktuellen Situation der Kurden. Arbeitstitel: „Die Kurden – ein Volk zwischen Unterdrückung und Rebellion“ (Westend Verlag). Dieses werden wir ab September in verschiedenen Städten Europas präsentieren, zusammen mit Eindrücken und Fotos aus Rojava. Falls ihr Interesse an einer solchen Buchpräsentation habt, dann meldet euch bei mir (kerem.schamberger@ifkw.lmu.de)
Wir sehen uns – Serkeftin!
PS: Einige abschließende Eindrücke zum Mediensystem Rojavas/Nordsyriens werde ich in einem getrennten Artikel in den kommenden Tagen aufschreiben.