Erinnert ihr euch noch, dass ich Facebook verklagt hatte, weil sie einen Post von mir gelöscht hatten. Dieser gab eine offizielle Pressemitteilung des Rechtshilfefonds Azadi zum 25. Jahrestag des PKK-Verbots Ende November 2018 wieder. Es ging darin um die legale politische Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots (nachzulesen hier: https://bit.ly/2VEmOGd). Facebook nahm den „Abdruck“ dieser Pressemitteilung zum Anlass, mein Profil für drei Tage zu sperren.
Am 20. Mai 2019 kam es dann zum Prozess, den ich auf Facebook schon ausführlich beschrieben hatte: https://bit.ly/302EBJU.
Am 24. Juni traf der Richter nun sein Urteil: „Die Löschung des Beitrags und die Sperrung des Accounts des Verfügungsklägers waren rechtmäßig“.
In der Instanz des Eilverfahrens habe ich also gegen Facebook verloren. Wir werden denoch weitermachen, weil die Begründung des Richters hanebüchen sind.
Hier ein paar Zitate aus der Urteilsbegründung:
- Ich hatte die Pressemitteilung von Azadi mit einer eigenen Überschrift versehen: „25 Jahre PKK-Verbot sind genau 25 Jahre zu viel!“.
Dazu schreibt der Richter: diese Überschrift „zeigt deutlich, dass der Verfasser möchte, dass die PKK nicht mehr in Deutschland verboten ist. Auch im weiteren Verlauf des Beitrages geht der Verfügungskläger nicht auf die Aktivitäten, die nämlich terroristischer Herkunft sind, ein, sondern beschreibt die Auswirkungen des Verbots auf die kurdische Bevölkerung in Deutschland. Dabei ist unerheblich, dass es sich um ein Zitat handelt. Der Verfügungskläger macht sich dieses zu eigen.“
Diese richterliche „Logik“ muss man erstmal verstehen: ich halte die PKK für nicht terroristisch und drücke das durch das Posten der Pressemitteilung aus. Weil ich aber in diesem Post nicht auf die Aktivitäten der PKK, „die nämlich terroristischer Herkunft sind“ eingegangen bin, ist die Sperrung rechtens. Toller Zirkelschluss, der auch im nächsten Zitat aus der Urteilsbegründung hervorgeht. - „Weiterhin ist auch der Sinn der Äußerung erkennbar. Der Verfügungskläger stellt besonders mit dem ersten Satz seines Beitrages sein Unbehagen mit dem Betätigungsverbot der PKK dar und drückt damit aus, dass er das Verbot von Anfang an für nicht richtig hielt und es deshalb aufgehoben werden soll. Eine solche Aussage stellt keinen einfachen Hinweis mehr auf einen Verein dar. Der Verfügungskläger mag zwar nicht die Tätigkeiten der PKK im Einzelnen für gut halten und fördern wollen, jedoch begehrt er zumindest indirekt durch das Aufheben des Betätigungsverbotes, dass die PKK wieder rechtmäßig Unterstützer in Deutschland haben kann, was faktisch eine Förderung des Vereins darstellt.“
Weil ich gegen das PKK-Verbot bin, bin ich automatisch dafür, dass die PKK neue Unterstützer gewinnt? Mit dieser Argumentation müsste der Richter auch gegen das Bundesinnenministerium (BMI) vorgehen, denn seit dem PKK-Verbot 1993 sind die Mitglieder- und Sympathisantenzahlen der PKK kontinuierlich nach oben gegangen 😉
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Gleichzeitig bestätigt der Richter in dem Urteil die deutsche Ignoranz gegenüber der kurdischen Freiheitsbewegung, in dem er schreibt: „Es liegen weder ausschlaggebende veränderte Verhältnisse bezüglich des Betätigungsverbotes der PKK vor, noch hat die PKK ihre Aktivitäten geändert.“
So als ob die PKK in den letzten 30 Jahren nicht einen tiefgreifenden Veränderungsprozess, sowohl inhaltlich/theoretisch als auch strukturell, durchgemacht habe. Das ist einfach pure Ignoranz gemäß der drei Affen, die nicht sehen, hören oder sprechen wollen. -
Weiter geht es im Urteil mit der zentralen Aussage: „Der Kommentar des Verfügungsklägers ’25 Jahre PKK-Verbot sind genau 25 Jahre zu viel!‘ stellt damit einer (sic!) Unterstützung der terroristischen Ziele und Handlungen der PKK dar.“
Abgesehen davon, dass diese Art von Sprech doch sehr an die türkische AKP-Justiz erinnert, ist diese Aussage interessant. Denn warum wird dann nicht von deutschen Gerichten gegen mich wegen dieses Posts ermittelt. Immerhin unterstütze ich laut Meinung des Richters „Terrorismus“. -
Am Ende des länglichen Artikels nimmt der Richter auch noch den „armen“ Großkonzern Facebook in Schutz und schreibt: „Es ist der Verfügungsbeklagten weiterhin nicht zuzumuten, dass eine verfassungsfeindliche und als offiziell terroristisch eingestufte Organisation indirekt Platz auf der Plattform findet. (…) Der Eingriff in das Recht des Verfügungsklägers auf Meinungsäußerung in seiner drittschützenden Wirkung liegt zwar vor. Auf der anderen Seite überwiegt jedoch das schützenswerte Interesse der Verfügungsbeklagten, auf eine zivilisierte Kommunikationskultur – ohne Bezug auf von der EU als terroristisch eingestufte Vereinigungen – hinzuwirken und diese zu sichern.“
Inwiefern das Posten einer offiziellen Pressemitteilung unzivilisierte Kommunikationskultur sein soll, bleibt dem Richter überlassen. Aber interessant ist schon, dass mit solchen Aussagen das Sprechen über die PKK komplett aus dem öffentlichen Debattenraum gehalten werden soll.
Und angesichts der Debatten um das sehr zögerliche Eingreiffen Facebooks bei Hate Speech, Rassismus und Beleidigungen auf seiner Plattform, wirkt dieser Satz wie Hohn.
In meinem ersten Facebook-Post vom 20. Mai (https://bit.ly/2VEmOGd) hatte ich noch von einem sympathisch-offenen Richter gesprochen. Jetzt ist deutlich geworden, dass er sich mit mir beschäftigt haben muss, weil er im Urteil auch auf den YPG-Erlass aus dem BMI eingeht und weiß, dass die Münchener Staatsanwaltschaft versucht uns mit dutzenden Verfahren einzuschüchtern.
Der Richter scheint die Auswirkungen seines Urteils auf die Meinungsfreiheit entweder nicht zu verstehen oder es ist ihm schlicht egal. Beides ist gleich schlimm.
Wir werden weiter machen und nun in regulärer Instanz gegen Facebook klagen.