50 Jahre Berufsverbote sind 50 Jahre zu viel – Dokumentation

Zum 50. Jahrestag der unsäglichen Berufsverbote in der Bundesrepublik Deutschland ist eine sehenswerte Dokumentation erschienen. Es sprechen viele damals Verfolgte, die sich gewehrt haben. Einige von ihnen kamen aus Familien, die den Holocaust nur knapp überlebt hatten, von den Aliierten befreit und KommunistInnen wurden. 27 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus – im Januar 1972 – wurde der sogenannte „Radikalenerlass“ verschiedet. Auf seiner Grundlage konnten PolitikerInnen und RichterInnen, viele von ihnen schon während des Faschismus aktiv oder im Amt, die Betroffenen erneut drangsalieren.

Mein Fall aus dem Jahr 2016 in Bayern kommt auch vor. Für die Dokumentation habe ich mich mit meinem Freund und Genossen Ernst Grube getroffen, der als Kind und Jugendlicher Theresienstadt überlebt hat. Auch er sollte Anfang der 1970er Jahre Berufsverbot bekommen. Bis heute ist er im antifaschistischen Kampf aktiv und ein großes Vorbild.

Die Initiative gegen Berufsverbote hat einen Aufruf gestartet: „50 Jahre Berufsverbote – Demokratische Grundrechte verteidigen!“ Er kann hier unterschrieben werden. Bekannte UnterstützerInnen, unter anderem der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und Prof. Stephan Lessenich, äußern sich hier.
Letzterer äußert sich wie folgt:
„Der ‚Radikalenerlass’ und seine Nachwirkungen gehören zu den dunkleren Seiten der bundesdeutschen Geschichte. Die individuellen Lebensschicksale derer, die von Berufsverboten betroffen waren, sind eine Mahnung auch für die Gegenwart. Denn dass sich das politisch-intellektuelle Klima, in dem der damalige Erlass möglich war, nicht wieder einstellen könnte, ist gerade derzeit alles andere als ausgemacht. Daher gilt auch heute unverändert: Demokratische Grundrechte verteidigen!“ (Stephan Lessenich).

Auch ich durfte ein Statement beisteuern:
„50 Jahre Berufsverbote sind 50 Jahre zu viel! Die Angst den eigenen Beruf nicht mehr ausüben zu können, weil man kritisch gegenüber dem kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist, weil man sich vielleicht gar als KommunistIn sieht, wird bis heute durch das Damoklesschwert des Berufsverbotes genährt und aufrechterhalten. Vor fünf Jahren musste ich monatelang auf meine Einstellung an der Ludwig-Maximilians-Universität warten, weil der Inlandsgeheimdienst (der sogenannte Verfassungsschutz) meine politischen Positionen als unvereinbar mit dem Öffentlichen Dienst und der sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung gesehen hat. Erst ein langer Kampf, öffentlicher Druck und viel Solidarität haben gezeigt: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren. Ich konnte die Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter antreten. Das kapitalistische System, in dem wir leben, hat viele schlimme Seiten. Eine davon ist, dass es versucht uns die Fähigkeit zum Träumen zu nehmen: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben, wie wollen wir unsere Wirtschaft organisieren, was für eine Demokratie wollen wir haben? Alleine das Nachdenken über diese Fragen wird durch die Möglichkeit eines Berufsverbots auch heute noch erschwert. Mich haben in den letzten Jahren viele Menschen kontaktiert, die politisch aktiv sind und über radikale Utopien nachdenken. Sie haben Angst, das öffentlich zu tun, weil sie sonst Probleme in ihrem Beruf bekommen könnten. Dieses seit nunmehr 50 Jahren anhaltende Unrecht muss sofort beendet werden. Und das können wir nur zusammen schaffen: Solidarisch, utopisch und widerständig. 50 Jahre nach der Verabschiedung des Radikalenerlasses fordern wir die Aufarbeitung seiner Geschichte und die Rehabilitierung der Betroffenen.“

Weitere Links:
Kommunisten.de mit einer ausführlichen Einschätzung: „Der Knüppel kam in den Sack – ist aber noch da