Mehr Refuseniks braucht das Land – 28. Farkha-Festival beendet

Während diese Zeilen geschrieben werden, ist das 28. Farkha-Festival bereits zu Ende. Es war ein Festival der jungen Generation, sehr viele neue Jugendliche aus verschiedensten Städten Palästinas waren anwesend. Auch die internationale Delegation bestand vor allem aus jungen Menschen, die nun direkt erlebt haben, wie es ist, unter einer Besatzung zu leben. Eine Besatzung, die übrigens immer weiter privatisiert wird. Während in manchen Ländern die Anzahl privater Sicherheitskräfte die Zahl der staatlichen immer öfter übertrifft, verläuft der Trend in Israel auch in den immer weiteren Ausbau der privaten Sicherheitsdienste. An den Besatzungscheckpoints konnten wir zum Beispiel erleben, wie private Securities nun oft die „Drecksarbeit“ erledigen und den Soldat:innen zum Beispiel bei der Kontrolle von Bussen den Rücken freihalten müssen.

Mutige Refuseniks von Mesarvot berichten uns über ihre Entscheidung den Kriegsdienst zu verweigern. Sie wollen nicht Teil der Besatzung sein.

Das diesjährige Festival stand auch im Zeichen der Solidarität jüdischer anti-zionistischer Genoss:innen, die aus Tel Aviv gekommen sind. Einige von ihnen sind Mitglied in der Israelischen Kommunistischen Partei. Und fast alle haben den Militärdienst verweigert, weil sie es ablehnen Teil des Besatzungssystems zu werden. Sie nennen sich Refuseniks und werden dafür hart bestraft. Im Gespräch saßen uns sehr junge Menschen gegenüber, die wegen ihrer Verweigerung 3-4 Monate im Gefängnis waren. Der Staat bestrafte sie nochmal stärker, weil sie ihre Verweigerung öffentlich gemacht und andere dazu aufgerufen haben, es ihnen gleich zu tun.

In einer militarisierten Gesellschaft in der „von der Sekunde in der du geboren wirst, klar ist, dass du Soldat:in werden wirst“, wird das hart sanktioniert, sagt Tal Mitnick, der in der israelischen Öffentlichkeit für seine Verweigerung bekannt ist und in den kommenden Monaten dafür für Monate hinter Gitter muss. Um dabei nicht alleine zu sein, hat sich die Bewegung Mesarvot, ein Netzwerk zur Unterstützung von Verweigerern, das verschiedene Initiativen zu gemeinsamen Aktionen gegen die israelische Besatzung verbindet. Derzeit arbeitet das Netzwerk an einem offenen Brief, in dem sich viele junge Menschen dazu bekennen werden, den Besatzungsdienst zu verweigern.

Die Gründe für die Ablehnung einer Einberufung können dabei sehr unterschiedlich sein, aus linken und pazifistischen Beweggründen, aus religiösen Überlegungen, aber auch weil man aus so armen Verhältnissen stammt, die einen dazu zwingen das Militär zu verlassen, um weiter arbeiten zu können.

Insgesamt ist es noch eine sehr kleine Bewegung, die allerdings durch die jüngsten Proteste gegen die Justizreform gerade Aufwind erhalte, so Tal. Denn durch die Ankündigung von tausenden älteren Mitgliedern der Reserve, den Dienst nicht mehr antreten zu wollen, sind viele junge Menschen das erste Mal mit der Idee in Berührung gekommen „Nein“ zu sagen. Die Reservisten seien zwar fast alle auch Zionist:innen, die hinter „ihrem“ Staat stehen, aber man müsse dieses Möglichkeitsfenster nun nutzen und versuchen eine Radikalisierung voranzutreiben. So habe das Militär derzeit die Prozesse gegen Verweigerer aus diesem Jahr ausgesetzt, um die Demonstrationen gegen die Regierung nicht noch weiter zu beflügeln.

Eine junge Trans-Genossin aus Tel Aviv berichtet, dass sie als Mesarvot derzeit versuchen in der queeren Szene Menschen für die Idee des Verweigerns zu begeistern: „Du hast ja schon mit den Gender-Normen gebrochen, also kannst du auch leichter mit den militaristischen Normen dieser Gesellschaft brechen“, so die Genossin. Der Preis sei aber oftmals ein Ausschluss aus dem sozialen Umfeld und sogar der eigenen Familie. Umso wichtiger ist das Netzwerk, um die Betroffenen aufzufangen und Solidarität zu leisten.

Interessant waren auch die Schilderungen der klassenbezogenen Rechtfertigungen für den Militärdienst. Während die Armee den mittleren und oberen Schichten damit schmackhaft gemacht wird, gute Kontakte zu erhalten, ein Netzwerk aufbauen zu können, das es einem im Anschluss ermöglicht, gute Jobs mit hohen Verdienstmöglichkeiten zu erhalten, wird es der armen und arbeitenden Klasse gegenüber eher ideologisch begründet: der Kampf fürs Vaterland und den Schutz des Staates vor Terrorismus, eine Frage der Ehre usw. usf. Man kennt die Argumentationsmuster aus anderen Ländern, zum Beispiel der Türkei.

Eine beeindruckende Zusammenkunft, die wir im kommenden Jahr fortführen wollen. Denn beim 29. Farkha-Festival sollen die ganze Woche über jüdische Genoss:innen dabei sein und am Programm mitwirken. Wir sehen uns 2024!

PS: Falls ihr Interesse habt im nächsten Jahr auf das Festival mitzukommen, achtet auf den Aufruf mit den Teilnahmebedingungen, den wir ab März 2024 veröffentlichen

PPS: Kommunisten.de hat diesen Artikel mit viel mehr Fotos und weiteren Informationen veröffentlicht