Ein kleiner Einblick in die rassistische Visapolitik Deutschlands

Ein kurdischer Bekannter heiratet demnächst in Deutschland. Ein schöner Anlass, bei dem man natürlich auch die enge Familie aus der Türkei/Nordkurdistan dabei haben will – vor allem weil die zukünftige Eherfrau direkt von dort kommt. Doch ein Visum selbst für die eigene Tante zu erhalten, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Deutschland schottet sich ab – nicht nur über die Politik der Europäischen Union, sondern auch bei der eigenen Visavergabe.

Um in der Türkei ein Visum für einen kurzen (Hochzeitsfeier-)Aufenthalt in Deutschland zu beantragen, muss man eine Odyssee auf sich nehmen. Die Tante meines Bekannten lebt in Mardin. Ein Visum beantragt man nicht mehr direkt bei der deutschen Botschaft, sondern man muss seine Unterlagen beim privaten Unternehmen iDATA einreichen. Persönlich vor Ort. Da das Büro in Gaziantep/Dîlok zu der Zeit geschlossen war, war Trabzon die nächste Stadt mit Firmensitz. Das ist 630 Kilometer von Mardin entfernt. Eine Fahrt von fast 12 Stunden. Um einen Visumsbeantragungstermin zu erhalten, muss man wochen- teilweise monatelang warten. Es sei denn man bezahlt. Je mehr Geld man blecht, umso schneller erhält man einen Termin. Die Klassengesellschaft spiegelt sich also auch hier wieder. iDATA sammelt die Unterlagen, prüft ob alles vorhanden ist und leitet sie dann an die Botschaft weiter.

Und mit Unterlagen ist wirklich jedes einzelne Detail des Lebens gemeint: Verpflichtungserklärung aus Deutschland, Einkommensnachweis, Bankgarantien, Sicherheiten, Heiratsurkunde, Geburtsurkunde, Nachweise zum Grund des Aufenthaltes in Deutschland (Einladungskarte für die Hochzeit, Mietvertrag des Hochzeitssaales), Unbedenklichkeitsnachweise vom türkischen Finanzamt, Nachweise über die erbrachten Beiträge zur türkischen Gesundheitskasse, Grundbucheinträge, polizeiliches Führungszeugnis, ausgefülltes Antragsformular.

Insgesamt mehr als 20 Seiten Dokumente. Dafür verlangt das Unternehmen 3800 Lira (etwa 130€), hinzu kommen 75€ Visagebühren der Botschaft und die Kosten für die Reservierung eines Hin- und Rückfluges, der ebenfalls vorgezeigt werden muss. Eine Auslandskrankenversicherung darf natürlich auch nicht fehlen. Die Kosten für die Autofahrt, die 1-2 Hotelübernachtungen vor Ort in Trabzon und das Essen sind da noch nicht mit eingerechnet. Aber es wird deutlich, dass sich alleine die Beantragung des Visums nur eine kleine Schicht Menschen in der Türkei leisten kann. Und das Ganze sogar noch mit offenem Ausgang. Bekommt man das Visum oder nicht?

Lange Rede, kurzer Sinn: die Tante meines Bekannten hat kein Visum erhalten. Eine weitere Tante ebenfalls nicht und nicht einmal der Bruder der zukünftigen Ehefrau.

Die Ablehnung erfolgte jeweils ohne Angaben von Gründen. Alle haben zwar einen Zettel zur „Ablehnung des Visumsantrages“ vom Generalkonsulat aus Ankara bekommen, auf dem waren aber nicht mal ihr Name eingetragen, geschweige denn der Grund für die Ablehnung ihres Antrages angekreuzt (siehe Foto). Für die deutschen Behörden sind sie es wohl nicht einmal wert, nach all den Mühen und der finanziellen Belastung, mit ihren Namen angesprochen zu werden.

Sie werden die Hochzeitsfeier nur über verwackelte Bilder via WhatsApp verfolgen können. Wie tausende andere Menschen auch, die bei wichtigen Lebensereignissen ihrer Familienmitglieder aufgrund der rassistischen Visapolitik Deutschlands, nicht dabei sein können.